Nachhaltigkeits-Handbuch

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I.
WAS SIND GEFäHRLICHE STOFFE,
WESHALB UND WIE
BRAUCHEN WIR SIE?

1. Was ist ein gefährlicher Stoff?

Mehr Infos?

> Siehe INFOBLATT (in Band 4)
Aufruf von Paris und REACH

Stoff, Produkt, Material: Wo liegt da der Unterschied?

Ein gefährlicher Stoff ist ein Stoff, der für den Menschen gesundheitsschädlich sein kann oder der negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Tiere haben kann.
Ein Material kann entweder unschädlich oder aber gefährlich sein.
Ein gefährliches Material wird als gefährlich bezeichnet, wenn es negative Auswirkungen auf die Gesundheit oder die Umwelt hat.
Ein Produkt besteht gewöhnlich aus mehreren Stoffen oder Materialien.
Ein gefährliches Produkt ist ein Produkt, das ein oder mehrere gefährliche Stoffe oder Materialien enthält.
Es gibt viele Stoffe, die von Verbraucherschutzorganisationen, Gewerkschaften, der Ärzteschaft, … zwar als gefährlich eingestuft werden, offiziell jedoch nicht als gefährlich anerkannt werden, weil die Gefahr, die von ihnen ausgehen könnte, noch nicht wissenschaftlich bewiesen worden ist.

Gewisse Stoffe verursachen Irritationen der Haut, der Nase, des Halses, der Augen, Unwohlsein, Müdigkeit, Übelkeit oder auch Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen, … Andere sind verantwortlich für schwere Krankheiten wie z.B. Ekzem, Allergien, Asthma, Gleichgewichtsstörungen, Verdauungsstörungen, Lebererkrankungen, … Wieder andere Stoffe wie zum Beispiel Benzol, das im Zigarettenrauch freigesetzt wird, sind krebserregend, beeinträchtigen die Fruchtbarkeit oder schaden dem Fötus.

Gefährliche Stoffe können auch hoch entzündbar sein und dadurch in Sekundenschnelle einen Brand verursachen, wenn sie mit einer Flamme oder einem Funken in Kontakt kommen (z.B.: Sprühdosen).

Diese Stoffe werden freigesetzt, wenn wir Produkte, in denen sie enthalten sind, verwenden, bei Herstellungsverfahren, Lager- oder Transportunfällen oder der Abfallbehandlung. Sie verschmutzen die Luft oder das Wasser und gelangen in unseren Körper, wenn wir sie mit unserer Nahrung aufnehmen, wenn wir verschmutzte Luft einatmen oder wenn sie in direkten Kontakt mit unserer Haut kommen (z.B. wenn wir uns die Hände mit White Spirit waschen oder Kosmetika verwenden).

Man unterscheidet zwischen zwei Arten gefährlicher Stoffe:

  • Natürliche gefährliche Stoffe sind Stoffe, die als solche in der Natur vorkommen. Unter bestimmten Umständen (hohe Konzentration, Verbrennung, Einatmen, Reaktion mit anderen Stoffen, …) können diese Stoffe für den Menschen eine Gesundheitsgefahr darstellen oder die Umwelt verschmutzen.

Einige Beispiele natürlicher gefährlicher Stoffe:

Schwermetalle sind Metalle mit einem hohen Molekulargewicht wie z.B. Quecksilber, Blei, Kadmium, Arsen, Zink, Aluminium, Chrom, Kupfer, … Sie sammeln sich in den Fetten und Nervengewebe lebender Organismen an und haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier. Blei ist zum Beispiel in Farben und alten Kanalisationen enthalten und kann zur Bleivergiftung führen.
Asbest ist eine Naturfaser, die seit der Antike wegen ihrer isolierenden, akustischen und feuerfesten Eigenschaften verwendet wird, die aber hoch krebserregend ist. Asbest ist in Belgien seit 1997 verboten, ist aber immer noch in zahlreichen Gebäuden und Maschinen vorhanden.
Radon ist ein radioaktives Gas, das natürlicherweise in gewissen Böden vorkommt. Dieses Gas kann sich auch in Häusern ansammeln und Lungenkrebs verursachen. Durch eine gute Belüftung der Häuser kann vermieden werden, dass der Radon-Gehalt im Haus zu stark ansteigt.
Kohlenmonoxyd (CO) ist ein tödliches Gas. Es ist schwer nachweisbar, da es farblos und geruchlos ist. CO entsteht bei der unvollständigen Verbrennung fossiler Brennstoffe (Erdöl, Gas, Kohle) in zum Beispiel Heizöfen, Warmwasserbereitern oder Fahrzeugmotoren.
– Außerdem sind natürliche gefährliche Stoffe in mehreren Pflanzen oder Pilzen, sowie auch manche Bakterien enthalten, die Toxine produzieren können.

  • Synthetische gefährliche Stoffe kommen als solche nicht in der Natur vor. Sie wurden durch Menschenhand in der chemischen Industrie hergestellt. Deshalb werden sie gewöhnlich auch chemische Stoffe genannt.

Die synthetischen Stoffe sind sehr nützlich, weil sie über Eigenschaften verfügen, die natürliche Stoffe nicht besitzen. So wurden beispielsweise zahlreiche innovative Produkte damit hergestellt. Das wohl bekannteste Beispiel ist Plastik, ein Material, das gleichzeitig resistent, wasserfest, geschmeidig und leicht ist und mit dem unzählige Produkte hergestellt werden konnten, die heute aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Andere Produkte, die aus chemischen Stoffen hergestellt werden, sind zum Beispiel: synthetische Kleidung, Farben, Lacke, Leime, Arzneimittel, Insektenbekämpfungsmittel, Reinigungsmittel, Kosmetika, … Die synthetischen Stoffe werden außerdem dazu eingesetzt, um die Eigenschaften der Produkte, die wir verwenden, zu verbessern. Dadurch werden zum Beispiel Kunststoffe weich, entsteht Feuerschutz, werden Mikroben getötet, wird Fäule vermieden und bleiben Gewebestoffe besser erhalten, …

Synthetische Stoffe werden heute überall eingesetzt. Sie sind in Möbeln, Teppichen, Farben, Elektrogeräten, Computer, Kleidungsstücken, Reinigungsmitteln, Kosmetika, Körperpflegeprodukten und sogar Spielzeugen für Babys enthalten. Leider hat man im Laufe der Zeit feststellen müssen, dass manche dieser Stoffe für den Menschen und für die Umwelt schädlich sind.

Einige Beispiele potentiell gefährlicher synthetischer Stoffe:

Flüchtige organische Verbindungen (VOC) verdampfen sehr schnell. Sie sind in verschiedenen Produkten wie zum Beispiel Reinigungsmitteln, Sprühdosen, Lacken, Leimen, Pestiziden, aber auch in Gegenständen wie Möbeln aus Spannplatten enthalten. Die giftigen Teilchen verdampfen, wenn wir die Produkte oder Gegenstände verwenden oder installieren und sind auch noch lange Zeit danach und manchmal während der gesamten Lebensdauer des Produktes vorhanden. Sie befinden sich in der Innenraumluft und setzen sich auf den Staubteilchen ab. Auf diese Weise gelangen sie in Teppiche, Sofas, Vorhänge, … und werden nach einer gewissen Zeit wieder von der Innenraumluft weitergetragen. Dann kommt der Mensch und atmet sie ein … Die flüchtigen organischen Verbindungen gibt es entweder als aromatische VOC (Benzol, Terpen, Toluol, Xylol, Styrol, Naftalin) oder als halogene VOC (Chloroform, Trichloräthylen, Vinylchlorid, Dichlorbenzol).
Benzol ist ein krebserregender Kohlenwasserstoff, der häufig als Lösungsmittel eingesetzt wird. Man ist Benzol ausgesetzt, wenn man Handwerksarbeiten ausführt, Wände streicht oder sich in der Garage aufhält, wo es mit den Abgasen der Fahrzeuge ausgestoßen wird.
Formaldehyd ist ein farbloses, reizendes und krebserregendes Gas. Es wird im Tabakrauch sowie bei der Verbrennung von Treibstoffen und anderen Brennstoffen freigesetzt. Man findet es auch in Möbeln aus Spanplatten, manchen Reinigungsmitteln und knitterfreien Stoffen. Mit steigender Feuchtigkeit steigt auch der Ausstoß von Formaldehyd.
– Manche Duftstoffe sind allergieerregend. Das ist der Fall für Limonen, das in natürlicher Form in Zitronen enthalten ist. Es wird vor allem in Reinigungsmitteln, Desodorisierern und Duftspendern verwendet.
– Die persistenten organischen Schadstoffe (POP) haben eine extrem lange Lebensdauer und sind schwer abbaubar. Sie werden über die Luft verteilt und können somit lange Strecken zurücklegen. Manche dieser Stoffe erregen Krebs, führen zu Missbildungen bei Föten und Mutationen der DNA. Andere wiederum verursachen Lungenkrankheiten oder Nierenerkrankungen und greifen das Immunsystem an. Einige Beispiele für POP: DDT, das in Insektenvertilgungsmitteln enthalten ist; PCB, das in Isolier- und Kühlflüssigkeiten verwendet wird; Dioxine, die bei der Abfallverbrennung freigesetzt werden.
– Die Phtalate und künstlichen Moschusduftstoffe gehören der Familie der POP an (s. vorherigen Absatz). Es wird angenommen, dass einige dieser Stoffe Störungen des Hormonsystems verursachen, andere wiederum der Fortpflanzung schaden. Die Phtalate werden als Weichmacher von Kunststoffen verwendet, die beispielsweise in Kinderspielzeug, Schuhsohlen, PVC-Verpackungen oder auch T-Shirt-Aufdrucken verwendet werden. Die künstlichen Moschusduftstoffe werden häufig in Parfums und Körperpflegeprodukten verwendet.
– Die bromhaltigen Flammschutzmittel gehören auch zur Familie der POP. Sie verhindern, dass Elektrogeräte, Computer oder Mobiltelefone sich schnell entzünden. Es wird angenommen, dass sie Störungen des Hormonsystems verursachen.

2. Das Bewusstsein wächst sehr langsam

Es ist schwierig, die Auswirkungen gefährlicher Stoffe im Voraus zu erkennen. Sie hängen oft von der Dosis, d.h. der Menge, und der Dauer ab, der wir dem Stoff ausgesetzt sind. Diese beiden Faktoren sind für jeden Stoff anders.
Die Menschen (sowie auch die anderen lebenden Organismen) reagieren nicht auf die gleiche Weise auf einen gefährlichen Stoff. Diese Sensibilität ist stark von Faktoren abhängig wie die Morphologie, der allgemeine Gesundheitszustand, das Alter usw.

Außerdem können manche Stoffe alleine agieren, andere wiederum nur in Verbindung mit anderen Stoffen. Manchmal verwandelt sich ein unschädlicher Stoff in einen schädlichen Stoff, wenn er z.B. durch Verbrennung umgewandelt wird.

Der Mensch hat lange Zeit gebraucht, bis er sich der Gefahren gewisser gefährlicher Stoffe bewusst war. Dieses Bewusstsein stieg vor allem nach größeren Unfällen, wenn das Risiko bestimmter Stoffe deutlich wurde und wissenschaftliche Untersuchungen eingeleitet wurden, um deren Gefahren und Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt zu bestimmen.

Katastrophen, nach denen die Gefahren gefährlicher Stoffe deutlich wurden:

1952, London (England): 4.000 bis 12.000 Menschen sterben an den Folgen von Smog, der bei einer Kältewelle und durch die Ausstöße aus den Kohleöfen, mit denen damals die Häuser geheizt wurden, entstanden ist.

1966, Minamata (Japan): Mindestens 900 Menschen sterben infolge einer Quecksilbervergiftung, nachdem sie vergifteten Fisch verzehrt haben.

1976, Seveso (Italien): Eine Giftwolke bildet sich nach einem Zwischenfall in einem Chemiekonzern.

1984, Bhopal (Indien): Bei einer Explosion in einer Pestizidfabrik kommen 4.000 Menschen ums Leben und wird das Wasser verschmutzt. 500.000 Personen sind direkt davon betroffen. Noch heute sind Wasser und Boden verschmutzt.

1986, Tchernobyl (Ukraine): Einer der Reaktoren des Kernkraftwerks explodiert. Mehrere Tonnen hoch radioaktiver Substanzen werden freigesetzt. Hunderte Menschen sterben infolge der Verstrahlung oder an Krebs. Die Katastrophenzone ist heute noch verseucht.

1989, Havarie des Öltankers Exxon Valdez an der Küste Alaskas. 40.000 Tonnen Heizöl fließen ins Meer, 250.000 Vögel sterben. Das Ökosystem und die Nahrungsmittelkette sind auf sehr lange Zeit gestört.