Nachhaltigkeits-Handbuch

bien-etre

I.
DER ZUSAMMENHANG
ZWISCHEN GESUNDHEIT
UND UMWELT

1. Was ist die Gesundheit?

Die Gesundheit ist schwer zu definieren. Für jeden stellt sie etwas anderes dar. Für die Weltgesundheitsorganisation (WHO, World Health Organization) ist die Gesundheit „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.” Die Gesundheit ist ein Gefühl des Wohlseins, das durch die Erfüllung der physischen Bedürfnisse und die Abwesenheit psychologischer Spannung beschert wird. Diese Definition beschreibt einen Idealzustand, den jeder Mensch anstrebt. Auch wir können dazu beitragen.

Die Gesundheit spielt demnach eine Hauptrolle in der Lebensqualität, genauso wie der Zugang zu Arbeit, zu Bildung oder zu einer anständigen Unterkunft.

Die Gesundheit des Menschen wird durch viele Faktoren beeinflusst: das Alter, das Geschlecht, das Erbgut, die Erziehung, der Lebensstandard, der Lebensstil, die Arbeit, der Stress, die Ernährung, …

Ein Faktor, der die Gesundheit jedoch besonders beeinflusst, ist die Umwelt.

Mehrere Faktoren beeinflussen den gesundheitlichen Zustand einer Person:

  • Die biologischen Variablen: das Erbgut, die Veranlagung, das Alter, der Gesundheitszustand.
  • Die Verhaltensfaktoren und der Lebensstil: Rauchen, Hygiene, Ernährung, sportliche Betätigung, Lebens- und Arbeitsrhythmus, das Leben auf dem Land oder in der Stadt usw.
  • Die sozioökonomischen Faktoren: der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, das Bildungsniveau, das Einkommen, der Beruf usw.
  • Der psychologische und emotionale Zustand.
  • Die persönliche Empfindlichkeit einer jeden Person.
  • Die Umweltfaktoren.

2. Wie beeinflusst die Umwelt unsere Gesundheit?

Die Umwelt ist alles, was uns umgibt. Sie wirkt auf direkte Weise auf den menschlichen Körper ein. Die Qualität der Luft, die wir einatmen, des Wassers, das wir trinken, und der Nahrungsmittel, die wir essen, sowie auch die Gegenstände, die wir benutzen, oder der Lärm, der uns umgibt, sind Faktoren, die unsere Gesundheit entweder positiv oder negativ beeinflussen können. Sie wirken über die Atemwege, die Verdauung, die Haut und die Sinnesorgane auf unseren Körper ein.

„Die Umwelt ist das natürliche, naturnahe oder bebaute Umfeld, in dem wir leben. Man kann sie durch ihre Elemente definieren (Luft, Boden, Wasser), ihre Unterteilungen (die Ökosysteme, die Landschaften, die Städte, die Dörfer, das Innere unserer Häuser, unserer Schulen, unserer Arbeitsplätze, unserer Transportmittel…), ihre Bewohner (Flora und Fauna), ihr Klima (Temperatur, Feuchtigkeit, Wind…).

Unter den Begriff Umwelt können auch Parameter fallen, die sich auf die Schädigung der Umwelt (Verunreinigung der Luft, der Böden oder des Wassers, Lärm, Gerüche…) und andere menschliche Aktivitäten (Hausschmutz, Abfallerzeugung, Gewalt in den Stadtvierteln…) beziehen.“

Heute weiß man, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Zustand der Umwelt und der menschlichen Gesundheit besteht. Um diesen Zusammenhang zu beschreiben, nutzt man häufig den Begriff „Umweltgesundheit“ oder „Umwelthygiene“.

3. Das Bewusstsein kommt langsam

Seit mehreren Jahrzehnten bemerkt man einen Anstieg verschiedener Krankheiten: Krebs, Atemwegerkrankungen (z.B. Asthma), Hormonstörungen, neurologische Störungen, Fruchtbarkeitsstörungen usw.

Es hat lange Zeit gedauert, bis der Mensch die Existenz eines direkten Zusammenhangs zwischen den Umweltverunreinigungen, die er verursacht (Verunreinigung der Luft, des Wassers, des Bodens, Lärm, steigende Gefährdung durch chemische Stoffe usw.), und die Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands anerkannt hat.

Erst seit den Jahren 1990 sind die Wissenschaftler in der Lage, diesen Zusammenhang klar und deutlich mit epidemiologischen Studien und neuen Techniken zu belegen, die es ermöglichen, die Auswirkungen einer Anhäufung kleiner Mengen toxischer Stoffe im Laufe der Zeit zu messen.

Beispiel Asbest:

Asbest ist ein faserförmiges Mineral, das in der Natur vorkommt und wegen seiner feuerfesten Eigenschaften bekannt ist. Lange Zeit wurde Asbest als die Wunderlösung angesehen und vor allem im Bausektor für den Feuerschutz in Gebäuden eingesetzt. Asbest wird mit anderen Materialien gemischt wie zum Beispiel in Welleternit. Die Asbestfasern zersetzen sich in Fibrillen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind und in der Luft schweben, und werden somit eingeatmet. Diese winzig kleinen Fasern setzen sich tief in den Lungen fest und verursachen (manchmal erst nach 20 Jahren) schwere Krankheiten wie:

  • Asbestose: nicht lebensgefährdend, aber der Patient leidet an Herz-Lungen-Beschwerden.
  • Mesotheliom: seltene Krebserkrankung des Brust- oder Bauchfells.
  • Lungenkrebs: meist tödlich.

Erst in den Jahren 1970 ist man sich der Gefahren des Asbests bewusst geworden. Trotz des großen Risikos, hat es jedoch noch bis 1996 gedauert, bevor Asbest europaweit verboten wurde. Zu dem Zeitpunkt war Asbest aber schon stark verbreitet. Heute sterben jedes Jahr etwa 100.000 Menschen an den Folgen von Asbest-Erkrankungen. Vor allem handelt es sich um ehemalige Arbeiter aus dem Asbest-Sektor. Durch die Asbestentfernung in Millionen von Gebäuden werden enorme Kosten verursacht. Und dennoch wird Asbest immer noch in Kanada abgebaut und in den Entwicklungsländern verkauft.

> Eine Broschüre über Asbest ist kostenlos bei der Dienststelle Sensibilisierung und Kommunikation der Wallonischen Region erhältlich.

Erst 2004 wurde die erste internationale Erklärung über die hygienischen Gefahren der chemischen Verunreinigung verfasst: der Aufruf von Paris. In diesem Memorandum schlagen 68 internationale Sachverständige 164 Empfehlungen und Maßnahmen vor, die im Bereich der Umweltgesundheit umzusetzen sind, um die Krisen der Volksgesundheit zu vermeiden oder zu lindern, die heute herrschen und künftig voraussichtlich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffen werden. Diese Empfehlungen und Maßnahmen beziehen sich hauptsächlich auf Krankheiten infolge von chemischen Verschmutzungen wie zum Beispiel Krebs, Unfruchtbarkeit, Missbildungen, Fettleibigkeit, Krankheiten des Nervensystems, Allergien, …

Heute werden laut Schätzungen der WHO 25 bis 33% aller Krankheiten durch Umweltfaktoren verursacht. Für das europäische Büro der WHO ist der Zusammenhang zwischen der Umweltbelastung und der schlechten Gesundheit eindeutig belegt, aber die Forschungsarbeiten müssen fortgesetzt werden, um diese komplexen Fragen richtig verstehen zu können.

4. Die Schwierigkeit, den Zusammenhang zwischen Umweltfaktoren und gesundheitliche Folgen herzustellen

Die meisten Krankheiten, die in der Europäischen Union geläufig sind (Kreislauferkrankungen, Krebserkrankungen, Atemwegerkrankungen, …) sind auf mehrere Ursachen zurückzuführen, die häufig voneinander abhängig sind, wie zum Beispiel die Genetik, der Lebensstil (auch die Ernährung), die sozioökonomischen Faktoren, die körperliche Verfassung usw.

Selbst wenn der Einfluss der Umwelt auf die Entwicklung, die Auslösung oder die Verschlimmerung vieler Krankheiten heute nicht mehr in Frage gestellt wird, ist es in vielen Fällen sehr schwierig, mit Sicherheit anzugeben, welchen genauen Einfluss ein bestimmter Schadstoff aus der Luft, dem Boden, dem Wasser oder der Nahrung auf eine bestimmte Krankheitsentwicklung hatte. Mehrere Faktoren spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

  • Die Belastung durch kleine Mengen

In den meisten Fällen sind wir nur ganz kleinen Mengen Schadstoffen ausgesetzt, wobei diese Belastung jedoch sehr lange anhalten kann (24St./24St., das ganze Leben lang). Man spricht dann von chronischer Belastung.

  • Sehr lange Latenzperiode

Die Auswirkungen bestimmter Schadstoffe auf die Gesundheit machen sich meistens erst nach mehreren Jahren bemerkbar. Das ist zum Beispiel der Fall für die Krankheiten, die auf die Belastung durch Asbest-Fasern verursacht werden, die generell nach 15 bis 20 Jahren oder mehr ausbrechen.

  • Die Synergieeffekte

Wir sind immer vielen Schadstoffen ausgesetzt. Man geht davon aus, dass die gebündelte Wirkung mehrerer Schadstoffe ihren Einfluss vergrößert. Daher ist es sehr schwierig, die Folgen eines einzigen, bestimmten Schadstoffs nachzuweisen.

  • Ähnliche Auswirkungen

Viele Umweltfaktoren haben gewöhnliche Auswirkungen, d.h. dass diese Auswirkungen bei mehreren Krankheiten festgestellt werden können (Übelkeit, Kopfschmerzen…).

  • Der wissenschaftliche Wissensstands und die Kontroversen

Aufgrund unseres Wissensstands können wir nicht immer klar und deutlich den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung feststellen. Das kann zu sehr heftigen Kontroversen führen, wie das der Fall für die elektromagnetischen Wellen ist (Handy und Handyantennen).

Zudem sind wir nicht alle auf gleiche Weise den Umweltfaktoren ausgesetzt. Die verschiedenen Belastungsebnen (die je nach Lebensumfeld, Gewohnheiten und Beruf variieren) und individuellen Faktoren (Geschlecht, Alter, genetische Faktoren, Ernährung, sozioökonomisches Niveau, geistige Gesundheit) schaffen sehr unterschiedliche persönliche Situationen.
Die Umwelt wirkt daher nicht auf alle Menschen gleich ein. Eine gesunde Person kann sich einfacher den externen Belastungen anpassen. Eine kranke, schlecht ernährte oder gestresste Person verfügt über ein geringeres Anpassungsvermögen und ihr Zustand wird sich schneller verschlechtern als der einer gesunden Person. Auch sind bestimmte Personengruppen anfälliger gegenüber Umweltverunreinigungen, wie zum Beispiel Kinder, schwangere Frauen, kranke und ältere Personen. Bei gleicher Belastung kann sich ihr Organismus weniger gut verteidigen.