Nachhaltigkeits-Handbuch

2.1-ressources-menacees

2.1 Zur neige gehende Ressourcen

I.
WAS IST EINE RESSOURCE?

Seitdem es den Menschen auf der Erde gibt, greift er auf die Ressourcen der Natur zurück. Bereits zur Zeit der Jäger und Sammler jagten die Menschen wilde Tiere und sammelten Pflanzen und Früchte, um sich zu ernähren. Wie alle anderen Lebewesen auf der Erde nutzten sie ihre Umwelt.

Heute hat sich daran nichts geändert… außer, dass sich unsere Bedürfnisse weiterentwickelt haben. Wir wohnen in Häusern, wir fahren Autos, wir benutzen Elektrogeräte, Handys und iPods, wir treiben Sport und fahren in Urlaub.

Heute kaufen wir unsere Nahrung und unsere Verbrauchsgüter in Geschäften und Supermärkten, über das Internet oder per Katalog und haben dabei unsere enge Bindung zur Natur ein Stück weit vergessen. Dabei werden uns alle Produkte, die wir im Supermarkt kaufen, auf die eine oder andere Weise durch die Natur geliefert. So braucht der Landwirt urbaren Boden, um Weizen anzubauen, der zu Mehl verarbeitet wird und dann zu Brot, zu Nudeln, Pizza oder Keksen.

Mit den Verbrauchsgütern verhält es sich genauso. Man fördert Erze aus der Erde um sie zu Autos zu verarbeiten, Bäume dienen zur Herstellung von Papier, Erdöl ist die Grundlage für alle Kunststoffprodukte, Fels und Sand werden zu Ziegelsteinen, Kies, Beton und Zement verarbeitet, mit denen wir unsere Häuser, Straßen und Städte bauen. Um all diese Dinge herzustellen, braucht es Energie, die wir ebenfalls aus der Natur bekommen. Wir gewinnen sie hauptsächlich aus der Erde in Form von Erdöl, Gas, Kohle oder Uran.

Vereinfacht gesehen funktionieren die Mechanismen zur Nutzung der Ressourcen durch die Industriegesellschaft wie folgt:

  1. Die natürlichen Ressourcen (Rohstoffe, Energie, Wasser, Boden) werden aus der Natur gewonnen.
  2. Sie werden durch die Industrie zu Verbrauchsgütern weiterverarbeitet.
  3. Diese Güter werden zu den Verteilerstellen transportiert.
  4. Sie werden von den Haushalten gekauft, genutzt und verbraucht.
  5. Durch die Gewinnung, die Weiterverarbeitung und die Produktion in Industrie und Unternehmen sowie durch den Verbrauch durch die Konsumenten entstehen Umweltbeeinträchtigungen (akustischer, visueller oder geruchlicher Art), es werden Schadstoffe und Abfälle (in fester, flüssiger und gasförmiger Form) erzeugt.
  6. Die Umweltbeeinträchtigungen, Schadstoffausstöße und Abfälle werden nach Möglichkeit aufgefangen und aufbereitet (je nach Gesetzgebung in den verschiedenen Ländern auf sehr unterschiedliche Weise).
  7. Ein Teil der Abfälle wird wiederverwertet und erneut in den Produktionszyklus integriert.
  8. Die Umweltbeeinträchtigungen, Schadstoffausstöße und Abfälle, die nicht aufbereitet werden können, schaden der Umwelt.

Dieser Mechanismus funktioniert in einem geschlossenen Kreislauf. Da wir jedoch immer zahlreicher werden und das Wirtschaftssystem darauf abzielt, dass jeder immer mehr konsumiert, wird dieser Mechanismus langsam überlastet und das Ökosystem Erde kann die Folgen der menschlichen Aktivitäten immer schwieriger auffangen.

Die Natur liefert uns ihre Ressourcen in unterschiedlichen Formen, die sich je nach ihrem Ursprung und ihrer Fähigkeit, sich zu erneuern, unterscheiden.

  • Mineralische und fossile (abiotische) Ressourcen haben sich im Laufe geologischer Prozesse gebildet, die sich häufig über Millionen oder sogar Milliarden Jahre erstrecken. Es gibt sie in begrenzter Menge und jedes Mal, wenn man sich dieser Ressourcen bedient, nimmt ihr Vorrat ab. Zu dieser Kategorie gehören die fossilen Brennstoffe (Kohle, Gas, Erdöl), Mineralien (Fels) und Erze (Metalle, Uran). Man nennt sie auch nicht erneuerbare Ressourcen.
  • Organische (biotische) Ressourcen entstehen in etwas schnelleren Prozessen. Sie sind das Produkt von verschiedenen Mechanismen des Lebens und sind natürlichen Ursprungs (Wälder, Ozeane…) oder das Ergebnis menschlicher Arbeit (Landwirtschaft, Fischzucht…). Sie entstehen dank des Bodens, des Wassers und der Energie der Sonne. Dabei handelt es sich beispielsweise um Nahrungsmittel (Fleisch, Fisch, Gemüse, Getreide…), Fasern (Wolle, Baumwolle usw.), Baumaterialien (Holz, Hanf…), Biokraftstoffe (Bioethanol, Biodiesel…) usw. Man nennt sie auch erneuerbare Ressourcen, da ihr Vorrat theoretisch nur durch die Leistung der Erde bei ihrer Produktion beschränkt wird. Sie erneuern sich fortwährend. Die Dauer des Erneuerungskreislaufs ist dabei für jede Ressource unterschiedlich. Ihre Verfügbarkeit variiert also je nach den Mengen, die wir entnehmen, und der Zeit, die die Ressourcen benötigen, um sich auf natürlichem Wege zu erneuern.
  • Anorganische Ressourcen sind insbesondere die Energie der Sonne, die direkt als Wärme oder Licht genutzt werden kann, oder die des Windes. Zu den anorganischen Ressourcen gehören außerdem der Boden, das Wasser (Meer, Flüsse, Grundwasser) und die Luft. Zwar ist die vorhandene Menge dieser Ressourcen unveränderlich, aber einige, wie beispielsweise der Boden, die Luft und das Wasser, sind bedroht, da sich ihre Qualität aufgrund der menschlichen Aktivitäten stark verschlechtert.

 

Zu den Ressourcen, die wir täglich benutzen, gehören also die Rohstoffe, die zur Herstellung der Verbrauchsgüter dienen, die Energie und das Wasser, die zur ihrer Herstellung nötig sind, sowie der Boden, auf dem die organischen Rohstoffe wachsen.

II.
VERBRAUCH
UND VERFÜGBARKEIT
DER RESSOURCEN

Bereits im Jahre 1972 veröffentlichte der „Club of Rome“ das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ (engl. Originaltitel: The Limits to Growth). In dieser Studie wurde berechnet, dass unsere Gesellschaft in den nächsten 100 Jahren die Wachstumsgrenze überschreitet und anschließend kollabiert.

Die Autoren erklärten in ihrer Studie, aufgrund des Bevölkerungswachstums und der zunehmenden Industrialisierung werde der Verbrauch an Ressourcen und Nahrungsmitteln exponentiell zunehmen und die Umweltsituation sich drastisch verschlechtern.

Diese Studie hat zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung viele Menschen erschüttert, da sie die auf reinem Wirtschaftswachstum basierende Funktionsweise der Industriegesellschaft in Frage stellt und deren Grenzen aufzeigt. Um den Kollaps zu verhindern, rieten die Autoren der Studie dazu, ein neues Denkmodell anzunehmen und schlugen vor, auf eine Gesellschaft hinzuarbeiten, die auf Gleichgewicht basiert anstatt auf Wachstum.

Heute, vierzig Jahre nach der Veröffentlichung der Studie, leben wir noch immer nach dem gleichen Wirtschaftsmodell. Das Konsumtempo hat noch weiter zugenommen. Woher weiß man, welche Mengen an Ressourcen die gesamte Menschheit verbraucht und woran erkennt man den Moment, an dem die Erde die Grenze des für sie Verkraftbaren erreicht hat? In den letzten Jahren wurden dazu verschiedene Werkzeuge zur Quantifizierung entwickelt. Eines dieser Werkzeuge ist der ökologische Fußabdruck.

Der ökologische Fußabdruck veranschaulicht die Auswirkungen des Menschen auf das Ökosystem. Er vergleicht die Geschwindigkeit mit der wir die natürlichen Ressourcen verbrauchen, Schadstoffe ausstoßen und Abfälle herstellen mit dem Zeitraum, den die Natur benötigt, neue Ressourcen herzustellen, sowie Schadstoffe und Abfälle abzubauen.

Für die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks, wurde die Fläche gemessen, die für die Produktion aller Ressourcen notwendig ist, die zur Güterherstellung verwendet werden, sowie für den Abbau von Schadstoffen und Abfällen, die bei Produktion und Verbrauch dieser Güter anfallen. Anschließend hat man diese notwendige Fläche mit der tatsächlich verfügbaren Fläche verglichen (man spricht in diesem Zusammenhang auch von bioproduktiver Fläche oder Biokapazität).

Nach den Berechnungen aus dem Jahre 2007, sind nur 21% der Erdoberfläche bioproduktive, durch den Menschen bewirtschaftbare Fläche, also insgesamt 11,9 Milliarden Hektar.

Teilt man diese bioproduktive Fläche durch die Anzahl der menschlichen Erdbewohner, erhält man die Zahl 1,8. Dies bedeutet, dass im Jahre 2007 jeder Mensch im Durchschnitt 1,8 Hektar Fläche pro Jahr nutzen konnte, um sich zu ernähren, sich zu kleiden, zu wohnen, zu heizen, sich fortzubewegen, und die durch ihn und seinen Energieverbrauch verursachten Schadstoffe und Abfälle, abzubauen.

Tatsächlich hat der Mensch im Jahr 2007 jedoch 18 Milliarden Hektar Fläche genutzt und der ökologische Fußabdruck betrug somit 2,7 Hektar pro Person. Daraus geht hervor, dass 50 % mehr Ressourcen genutzt wurden, als die Erde uns im Laufe eines Jahres zur Verfügung stellen kann und, dass die Erde derzeit ungefähr anderthalb Jahre benötigt, um die erneuerbaren Ressourcen, die wir verbraucht haben, wiederherzustellen (und das dabei produzierte CO2 zu absorbieren). Mit anderen Worten hat der Mensch im Jahr 2007 die Ressourcen von anderthalb Planeten verbraucht, um seine Bedürfnisse zu erfüllen.

Schätzungen zufolge würden wir im Jahr 2030 zwei Planeten benötigen, um den Ressourcenbedarf der Menschheit zu decken. Wir verbrauchen also derzeit deutlich mehr Ressourcen, als die Erde uns liefern kann.

Anhand dieser Rechnung hat man ebenfalls festgestellt, dass die durchschnittlich verfügbare bioproduktive Fläche pro Einwohner im Laufe des 20. Jahrhunderts weltweit immer weiter abgenommen hat. Von 5,6 Hektar pro Einwohner im Jahr 1990 ist sie auf 1,8 Hektar im Jahr 2007 gesunken.

Innerhalb derselben Zeitspanne hat sich der durchschnittliche ökologische Fußabdruck eines Einwohners eines reichen Landes (Nordamerika und Europäische Union) versechsfacht (von 1 Hektar 1900 auf 6,4 Hektar im Jahr 2007).

Mehr Infos ?

> Siehe INFOBLATT (in Band 4: Werkzeuge zur Nachhaltigkeit):
Der ökologische Fußabdruck

Vergleicht man den ökologischen Fußabdruck der verschiedenen Länder in Bezug auf ihr Einkommen und auf die Biokapazität, die sie nutzen, lässt sich deutlich erkennen, dass die reichen Länder den größten Teil der natürlichen Ressourcen verbrauchen.

Derzeit verbraucht nur ein fünftel der Weltbevölkerung (1,2 Milliarden – die Einwohner der Industrieländer) 85% der verfügbaren Ressourcen und bringt den Planeten damit an den Rand dessen, was er verkraften kann. Wenn die übrigen Bewohner der Erde den gleichen Lebensstandard und das gleiche Konsumverhalten wie die Einwohner der Industrieländer annehmen wollen, ist es klar, dass die Erde die dazu nötigen Mittel nicht zur Verfügung stellen kann.

Mehr Infos?

Mehr dazu in folgenden Kapiteln:
Rohstoffe
Energie
Wasser
Abfall

Hätte die gesamte Menschheit den gleichen ökologischen Fußabdruck wie die Industrienationen, bräuchten wir vier zusätzliche Planeten.

Wir müssen uns also zwangsläufig eine neue Lebensweise aneignen, die auf einer gerechten Verteilung der verfügbaren Ressourcen unter allen Bewohnern unseres Planeten beruht. Das bedeutet, dass diejenigen, die zurzeit zu viel verbrauchen, ihren Bedarf verringern müssen.