Nachhaltigkeits-Handbuch

Foule Inde Mumbai

III.
DAS UNTERNEHMEN ALS
SOZIALER AKTEUR

Die Verbindungen zwischen dem Industriesektor und der Gesellschaft sind vielfältig:

Die industrielle Aktivität steht im Mittelpunkt der menschlichen Aktivität. Die Lebensmittelindustrie stellt Nahrungsmittel her, der Bausektor stellt das Baumaterial und unsere Häuser her, die Hersteller von Haushaltselektrogeräten bieten uns nützliche Geräte, die unseren Alltag vereinfachen, die Pharmaindustrie entwickelt die Medikamente, die uns bei Krankheit heilen usw. Die industrielle Aktivität hat somit eine tiefgründige Bedeutung, nämlich die grundlegenden Bedürfnisse aller Menschen decken. Die Kehrseite sind dabei jene Industriezweige, in denen das Überflüssige, der Luxus, das Unnütze und sogar das Gefährliche hergestellt werden! Denn dies ist auch ein Punkt, den man in Bezug auf Nachhaltigkeit, in Frage stellen kann.

Die Unternehmen schaffen Arbeitsplätze. Diese Arbeitsstellen sichern den Arbeitnehmern ein Einkommen und einen sozialen Status. Dadurch können sie für sich selbst und für ihre Familien aufkommen. Arbeitsplätze schaffen ist also ein sozialer Akt. Es genügt aber nicht, nur Arbeitsplätze zu schaffen, auch muss es sich dabei noch um hochwertige Arbeitsstellen handeln mit Arbeitsbedingungen, die den Arbeitnehmern ein gewisses Wohlbefinden im und außerhalb des Unternehmens bieten.

Die Unternehmen arbeiten nicht alleine, sie hängen von Lieferanten und Zulieferern ab. Diese befinden sich häufig in anderen Ländern, wo andere Praktiken gelten. Wenn sich das Unternehmen also vergewissert, dass die Arbeitnehmer seiner Partner unter guten Arbeitsbedingungen arbeiten, beweist es soziale Verantwortung.

Jedes Unternehmen schafft auch für andere Personen in seinem Umfeld Arbeit: von den Lieferanten der Zulieferer über die Reinigungsunternehmen bis hin zu den LKW-Fahrern und dem Personal der Imbissbude um die Ecke. Ein Unternehmen gründen ist daher ein sozialer Akt.

Wie kann der Industriesektor Akzente auf die sozialen Aspekte legen?

Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung zielt auf das Wohlbefinden – aller – Menschen von heute und morgen ab. Dies betrifft nicht nur das Recht zu Leben, sondern viel eher das Recht auf eine vollständige persönliche Entfaltung. Ein Unternehmen, das sich mit den menschlichen Aspekten der Arbeit befasst, entspricht daher ganz und gar diesem Konzept.

In Belgien (und in Europa) unterliegen die Unternehmen der Gesetzgebung über die Arbeitsbedingungen. Diese Gesetzgebung betrifft mehrere Bereiche wie zum Beispiel das Gehaltsniveau, die Arbeitszeit, das Wohlergehen am Arbeitsplatz (Gesundheit, Sicherheit, Hygiene) und die Rechte der Arbeitnehmer (Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft, Verhandlungen, Streikrecht, …). In Belgien werden die Arbeitsbedingungen in den Paritätischen Ausschüssen definiert (Gehälter, Weiterbildungen usw.), die pro Sektor festgelegt werden.

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die europäische Gesetzgebung, die sich sehr für die sozialen Aspekte einsetzt, jenen Arbeitern zu verdanken haben, die sich früher diese Rechte hart erkämpft haben. In unseren heutigen Krisenzeiten neigt man aber leider dazu, diese sozialen Errungenschaften im Namen der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit aufzuopfern. Für viele Unternehmen stellt schon der alleinige Erhalt vergangener Errungenschaften eine große Herausforderung dar.

Ein Unternehmen kann auf sozialer Ebene frei entscheiden, seinen Arbeitern mehr zu bieten, als es die gesetzlichen Anforderungen vorschreiben. Hier einige Beispiele möglicher Handlungsansätze:

Eine verantwortungsvolle Verwaltung der Humanressourcen. In dem Fall kann das Unternehmen zum Beispiel freiwillige Aktionen führen gegen die Diskriminierung und für die Förderung der Vielfalt im Unternehmen, indem es zum Beispiel die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnen, und sich somit zu einer Wertschätzung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität- verpflichtet.

Mehr Infos?

> Informationen über die solidarische Ökonomie in Belgien sind erhältlich auf: www.econosoc.bewww.belgium.be
> Informationen über die solidarische Ökonomie in Deutschland sind erhältlich auf :www.solidarische-oekonomie.de

 

Mehr Infos?

> Siehe INFOBLÄTTER (in Band 4):
„Die Arbeitsbedingungen“
„Der Faire Handel“

• Das Unternehmen kann die solidarische Ökonomie fördern, indem es verschiedene Dienste nutzt, die von solidarökonomischen Betrieben angeboten werden. Solidarökonomische Betriebe fördern den Zugang zum Arbeitsmarkt für Personen mit Schwierigkeiten (Behinderte, Personen ohne Ausbildung, Personen ohne Anrecht auf Arbeitslosenunterstützung, …) und bieten zahlreiche Dienstleistungen an (Catering, Reinigung, Reparatur und Verkauf von Gebrauchtbüromaterial, …).

• Das Unternehmen kann seinen Verantwortungsbereich ausdehnen und der Globalisierung Rechnung tragen, indem es sich für die Arbeitsbedingungen seiner Zulieferer und Lieferanten einsetzt. So kann es darauf bestehen, dass die Arbeitsbedingungen und die sozialen Normen, die für die ausländischen Lieferanten und Zulieferer gelten, den Vorlagen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) entsprechen. Hierfür kann das Unternehmen die Hilfe eines Sozial-Audit-Büros beanspruchen.

• Im gleichen Sinne kann ein Unternehmen zum Kauf von Rohstoffen oder Erzeugnissen aus dem fairen Handel auffordern. So kann es sicher sein, dass alle Erzeuger korrekt vergütet wurden. Vereinigungen wie Oxfam bieten zum Beispiel faire Kaffee- oder Snackautomaten an, die in den Büros der Unternehmen installiert werden können.

Die Erklärung von Rio, in der die Grundsätze der NE definiert werden, unterstreicht mit Nachdruck die notwendige Teilnahme aller Menschen am Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft. Dieser „Beteiligungsgrundsatz“ betrifft auch die Unternehmen. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, das die nachhaltige Entwicklung in seine Struktur aufnehmen möchte, jedem Personalmitglied die Möglichkeit bieten muss, sich aktiv an diesem Ansatz zu beteiligen.