Nachhaltigkeits-Handbuch

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III.
ARTENVIELFALT UND
SOZIALE ASPEKTE

1. Einfluss der sinkenden Artenvielfalt auf den Menschen

Der Mensch pflegt ein enges Verhältnis zum Rest der Lebewesen, da die Artenvielfalt, wie wir bereits erwähnt haben, in vielerlei Hinsicht zur Entwicklung des Menschen beiträgt. Wenn der Mensch also die Artenvielfalt zerstört, vernichtet er damit seine eigenen Bezugsquellen für seine lebensnotwendigen Ressourcen. Das Überleben des Menschen hängt daher vom Überleben der Artenvielfalt ab. Die Bedeutung dieser Feststellung macht sich heute schon bemerkbar.

Die Vereinten Nationen haben 2000 eine Evaluation der Ökosysteme für das Millennium (Millennium Ecosystem Assessment) durchgeführt, die den Zustand der Artenvielfalt und die Folgen der nachlassenden Artenvielfalt auf den Menschen untersucht hat. Aus diesem Bericht ging hervor, dass der Rückgang der Artenvielfalt zur Ernährungs- und Energieunsicherheit beiträgt, das Risiko bei Naturkatastrophen wie zum Beispiel Überschwemmungen und Zyklone erhöht, der Gesundheit schadet, die Verfügbarkeit und die Qualität des Wassers verringert und das kulturelle Erbe schwächt.

Selbst wenn die Schädigung der Ökosysteme teilweise durch den Anbau und die Technologie aufgewogen werden kann, hängen im Grunde alle Bevölkerungen und alle Unternehmen von den Dienstleistungen der Artenvielfalt ab. Die Fähigkeit der Ökosysteme, diese Dienstleistungen auch in Zukunft in einem zufriedenstellenden Rhythmus anbieten zu können, steht heute auf der Kippe. Die Evaluation der Ökosysteme für das Millennium hat aufgezeigt, dass die Veränderung der Ökosysteme heute schneller und intensiver ist, als zu jedem anderen Zeitpunkt in der menschlichen Geschichte.

Die Evaluation für das Millennium hat außerdem ergeben, dass sich 60% der Dienste die die Ökosysteme für uns leisten (d.h. 15 der 24 untersuchten Dienstleistungen) in den vergangenen 50 Jahren verschlechtert haben.

So sind zum Beispiel zwanzig Prozent der Korallenriffe der Erde und beinahe ein Viertel der Mangroven seit etwa 1980 verschwunden, was zeitgleich zu einem entsprechenden Rückgang ihrer Fähigkeit geführt hat, die Sturmfluten entlang der Küstengebiete abzuschwächen.

Der Mensch ist ein integraler Bestandteil der Artenvielfalt. Er ist eine Art unter vielen anderen, genauso wie der Buckelwal oder der Klatschmohn. Nichts garantiert uns, dass der Mensch nicht auch vom Aussterben bedroht sein kann. Indem er die Artenvielfalt bedroht, bringt der Mensch sich selbst in Gefahr. Wenn die Menschheit sich also schützen möchte, muss sie auf die anderen Arten Acht geben und sie auch schützen.

In den vergangenen Jahren hat der Rückgang der Bienen (der wahrscheinlich durch den erhöhten Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft verursacht wurde) die Fachleute in Alarmbereitschaft versetzt, die sich fragen, wie die Pflanzenbestäubung (und der Obst- und Gemüseanbau) wohl ohne diese kostbaren Helferinnen funktionieren soll. An dieser Stelle sollte uns dann Einsteins Aussagen zu denken geben, der sagte: „Wenn die Biene stirbt, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben!“.

2. Einfluss der sinkenden Artenvielfalt auf die Staaten

Der Druck der Menschheit auf den Planeten hat sich in den vergangenen 45 Jahren aufgrund des demographischen Wachstums und des Anstiegs des Einzelverbrauchs mehr als verdoppelt. Im Jahr 1961 konnten fast alle Länder der Erde ihrer eigenen Ressourcennachfrage entsprechen. Im Jahr 2005 hat sich die Situation radikal verändert. Heute können viele Staaten der internen Nachfrage nur noch nachkommen, wenn sie externe Ressourcen einführen.

Die armen Länder sind die ersten, die den Rückgang der Artenvielfalt zu spüren bekommen. Sie hängen direkter von der Artenvielfalt und deren Dienstleistungen ab (sauberes Wasser, Brennholz, Nahrungsmittel, …). Sie verfügen nicht wie die reicheren Länder über die technischen und finanziellen Mittel, um die Dienstleistungen aus der Umwelt durch Maschinen und Menschen zu ersetzen (z.B. Handbestäubung, Wasseraufbereitung, …) oder Rohstoffe und Nahrungsmittel, die ihr eigenes Umfeld nicht mehr liefern kann, in anderen Staaten zu kaufen.

Beispiel: der Fischfang
Weltweit leben 140 Millionen Menschen direkt vom Fischfang und verfügen Hunderte Millionen andere Menschen nur über diese eine Eiweißquelle. Asien ist der größte Fischverbraucher.
Seit 1800 hat sich die Menge des aus dem Meer entnommenen Fisches durch 200 vervielfacht, wobei diese Menge sich seit 1990 trotz der technischen Fortschritte und des intensiveren Fischfangs (größere und kräftigere Boote, besseres Material, größere Netze, hochentwickelte Fischortungssysteme usw.) auf 100 Millionen Tonnen stabilisiert hat. Alle Wissenschaftler sind sich einig: Der weltweite Fischfang ist gefährdet. Ein Viertel des Fischbestandes wird bereits überfischt und die Hälfte wird bereits bis zu ihrer maximalen Kapazität genutzt.
Der erste Fischbestand, der Anzeichen einer Abschwächung gezeigt hatte, war der Kabeljau-Bestand aus Neufundland. Dieser Fisch, dessen Vorkommen an den Küsten Kanadas riesig war, ist vier Jahrhunderte lang von 1550 bis 1950 mit 200.000 bis 300.000 Tonnen pro Jahr gefischt worden. Dann ist diese Menge in nur 20 Jahren auf 800.000 Tonnen pro Jahr gestiegen. Die Folge dieser Überfischung: Seit den Jahren 1950 ist der Kabeljau nahezu ausgestorben. Obwohl im Jahre 1992 ein Moratorium erlassen wurde, haben sich die Kabeljau-Fischgründe bis heute noch nicht erholt. Zudem sind zehntausende Fischer arbeitslos geworden.
Heute sind die Anzeichen der Überfischung überall in der Welt festzustellen und die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Fischarten wächst von Jahr zu Jahr.
Daher müssen drastische Maßnahmen ergriffen werden, damit die Fischbestände sich neu bilden können. Europa hat hier bereits vorgesorgt, indem es für bestimmte Arten Fangquoten eingeführt hat, die Maschen der Schleppnetze vergrößert wurden, damit die kleinsten Fische verschont werden und sich fortpflanzen können, und indem die Treibnetze verboten wurden, die für Delfine eine große Gefahr darstellen. Leider werden diese Maßnahmen aber häufig nur in Europa angewandt. In den internationalen Gewässern fischen die Trawler, die hauptsächlich von internationalen Fischereibetrieben abhängen, uneingeschränkt mit Netzen, die manchmal 60 km lang sind und eine ökologische Wüste hinter sich lassen. Dies ist für viele Bewohner der südlichen Küstenregionen ein Problem, da man ihnen ihre Hauptnahrungs- und Haupteinnahmequelle nimmt.

3. Einfluss der sinkenden Artenvielfalt auf die Gesundheit

Die Artenvielfalt sichert uns nicht nur unsere Nahrungsmittelquelle, sondern sie erlaubt es uns auch, Arzneimittel herzustellen. Darüber hinaus nehmen die Ökosysteme die Giftstoffe auf und regulieren die krankheitserregenden Arten.

Man geht zum Beispiel davon aus, dass ein Hektar Wald jährlich 70.000 Kilo Feinstaub und Giftstoffe aufnimmt. Dieser Feinstaub hat im Jahr 2000 in Belgien zu mehr als 10.000 vorzeitigen Todesfällen geführt. Wenn die Waldflächen insbesondere in den Städten größer wären, gäbe es weniger gesundheitliche Probleme und würden folglich auch die öffentlichen Ausgaben schrumpfen.

Wenn das Ökosystem aus dem Gleichgewicht ist und die natürlichen Kontrollmechanismen zerstört sind, können bestimmte Krankheiten sich wie Seuchen verbreiten. Das ist der Fall für Malaria und Cholera, so wie auch für die Vogelgrippe. Indem das Geflügel auf zu kleinem Raum gehalten wird, hat der Mensch dem Virus der Vogelgrippe die Möglichkeit geboten, sich zu entwickeln, sich schneller zu verändern und zu verbreiten. Die Zugvögel sind nicht allein Schuld an der Verbreitung der Krankheit. Auch der Handel und der Transport von Geflügel sind dafür verantwortlich. Nebenbei sei vermerkt, dass das Medikament gegen die Vogelgrippe Pflanzenextrakte enthält, wie zum Beispiel Sternanis…