Nachhaltigkeits-Handbuch

agrocarburant

V.
LÖSUNGSANSÄTZE FÜR EINEN NACHHALTIGEN UMGANG MIT DEM KLIMA

1. Emissionen reduzieren

Es ist heute nicht mehr möglich, den Klimawandel, der bereits begonnen hat, aufzuhalten. Vielmehr geht es darum, seine Folgen vorherzusagen und abzuschwächen. Der IPCC zufolge müssen wir, wenn wir unkontrollierbare Konsequenzen, die das Überleben der Menschheit in Gefahr bringen würden, vermeiden möchten, den Temperaturanstieg auf 2°C begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen müssten die Treibhausgasausstöße bis 2050 weltweit weniger als 1,5 Tonnen (C02-Äquivalent) pro Person pro Jahr betragen.

Zum Vergleich: die Treibhausgasausstöße liegen heute weltweit bei 4,27 Tonnen C02-Äquivalent pro Person. Diese Zahl verbirgt jedoch große Ungleichheiten. So liegen die Treibhausgasausstöße in den Industrieländern bei 11,52 Tonnen C02-Äquivalent pro Person, wohingegen sie in den Entwicklungsländern nur 2,38 Tonnen C02-Äquivalent betragen. Jeder Belgier ist verantwortlich für rund 11 Tonnen C02-Äquivalent, wobei ein US-Amerikaner jährlich 19,87 Tonnen produziert. Daher muss sich jeder bemühen, seinen Treibhausgasausstoß (manchmal drastisch) zu reduzieren.

Bis 2050 müssen wir unsere Ausstöße weltweit um 50% verringern. Die Industrieländer, die heute die größten Treibhausgasausstöße verursachen, werden ihre Ausstöße sogar um 80% reduzieren müssen.

Die 6 Wirtschaftssektoren, die am meisten zur Herstellung von Treibhausgasen beitragen, sind in absteigender Reihenfolge der Energiesektor, der Sektor der Bodennutzung, die Industrie, der Transport, die Landwirtschaft und das Baugewerbe.

Um die Ausstöße zu reduzieren, müssen gezielte und für jeden Sektor spezifische Aktionen eingeführt werden. Hier einige Beispiele:

  • Für den Energiesektor:
    – Den Verbrauch durch einen rationelleren Umgang senken.
    – Den Anteil der verwendeten fossilen Energiequellen verringern.
    – Den Anteil der erneuerbaren Energiequellen erhöhen, die Entwicklung von nachhaltigen Energiequellen aus Wind, Wasser oder Sonne fördern.
  • Für den Bodennutzungssektor:
    – Die abgeholzten Gebiete wieder aufforsten.
    – Eine nachhaltige Verwaltung der Waldressourcen fördern.
    – Eine Waldgutwirtschaft entwickeln, die die Ökosysteme wiederherstellt oder erhält.
    – Alternative Energiequellen zum Holz entwickeln, insbesondere in den armen Ländern, wo die Wälder nicht nachhaltig verwaltet werden (Solaröfen, verbesserte Kochöfen, individuelle Biomethananlagen…)
  • Für die Industrie:
    – Die Energieeffizienz der Herstellungsverfahren verbessern: Die Elektrogeräte effizienter nutzen, Automatiksysteme installieren, den Motorenertrag steigern usw.
    – Die fossilen Kraftstoffe durch nachhaltige Energiequellen ersetzen.
    – Natürliche und erneuerbare Rohstoffe verwenden und wiederverwerten.
    – Energieverluste durch Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen auffangen.
  • Für den Transportsektor:
    – Weniger Kilometer fahren: die Produktion relokalisieren, die Raumordnung neu planen (den Wohnraum und die Dienstleistungen in den Stadtgebieten vereinen…)
    – Die sanfte Mobilität ausbauen: öffentliche Verkehrsmittel, Wandern, Fahrrad, Mitfahrgelegenheit…
    – Der Verbrauch der Fahrzeuge reduzieren: den Energieertrag verbessern (leichtere Fahrzeuge bauen, effizientere Motoren verwenden), saubere Treibstoffe fördern (Wasserstoff), Hybrid-Fahrzeuge entwickeln…

Sind die Agrotreibstoffe eine nachhaltige Alternative?
Auf den ersten Blick scheint es, als wäre die Möglichkeit, aus Mais und Rüben Kraftstoff herzustellen anstelle von fossilen Energien, eine perfekte Lösung. Dem ist aber noch lange nicht so, da sie mehrere große Nachteile mit sich bringen. Erstens machen die Agrotreibstoffe dem Nahrungsmittelanbau Konkurrenz und treiben die Preise für die Nahrungsmittel in die Höhe, so dass dies ein Problem für die ärmeren Bevölkerungen darstellt. Zweitens werden sie mithilfe von intensiven Landwirtschaftsmethoden angebaut, die Treibstoffe, Pestizide und Dünger aus fossilen Brennstoffen verbraucht. Dieses Agrarmodell ist für weltweit 17% der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

  • Für die Landwirtschaft:
    – Die Düngung an den tatsächlichen Bedarf der Kulturen anpassen.
    – Die biologische Landwirtschaft verallgemeinern.
    – Die energetische Abfallverwertung (zum Beispiel durch Biomethananlagen) fördern.
    – Landwirtschaftliche Methoden einführen, die auf das Pflügen verzichten und eine ständige Bodenbedeckung bevorzugen (Permakultur, fragmentiertes Zweigholz, Agroforstwirtschaft…).
  • Für den Bausektor:
    – Strategien zur Verbesserung der bestehenden Wohnungen fördern.
    – Der Energieverbrauch in Gebäuden reduzieren: verbesserte Isolation, effizientere Heizsysteme und Warmwassersysteme, Entwicklung der Biotektur und passiven Architektur, Einsatz von örtlichem, ökologischem Baumaterial.
    – Vermeidung der Verschwendung dank der REV (rationelle Energieverwendung).
    – Veränderung der Stadtplanung: die Lebensräume in der Stadt anstelle auf dem Land fördern, die Größe der Wohnungen verringern, kompaktere Städte entwickeln, wo die Lebensbereiche, Arbeitsbereiche, der Handel und die Freizeitbereiche gruppiert sind und wo die sanfte Mobilität entschieden gefördert wird.

2. Das Kyoto-Protokoll

Mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls im Februar 2005 (die Verhandlungen hatten bereits 1995 begonnen!) haben 157 Länder der Welt sich offiziell und gemeinsam dazu verpflichtet, „zur Stabilisierung des Kohlenstoffdioxidgehalts in der Atmosphäre beizutragen, um eine schwerwiegende Störung des Klimasystems zu vermeiden“. Konkret bedeutet das, dass die 35 Länder der Welt, die am industrialisiertesten sind, sich dazu verpflichten, bis 2012 ihren C02-Ausstoß im Durchschnitt um 5,2% im Vergleich zu den Ausstößen von 1990 zu verringern.

Die Länder, die sich dazu verpflichtet haben, erklären sich bereit erhebliche Bemühungen in vielen Bereichen zu tätigen. Im Bereich der Industrie müssen die Unternehmen und Fabriken in neue, umweltfreundlichere Herstellungsverfahren investieren, die weniger Energie verbrauchen. Der Energieherstellungssektor muss die fossilen Energiequellen durch erneuerbare Energiequellen ersetzen. Hinsichtlich der Mobilität sind gemeinschaftliche Transportmittel zu fördern und die Einzelbenutzung von Autos zu vermeiden. Die Gebäude müssen besser isoliert werden, der Wärmeverlust muss eingeschränkt und die Heizenergie reduziert werden, die Abholzung der Regenwälder muss aufhören und Investitionen in die Wiederbewaldung sind notwendig. All diese Maßnahmen setzen erhebliche Investitionen voraus.

Das Kyoto-Protokoll läuft Ende 2012 aus. Wenn man die Reduzierung der Treibhausgasausstöße bis 2050 von 50% bis 80% erreichen möchte, müssen neue internationale Abkommen mit immer ehrgeizigeren Zielsetzungen unterzeichnet werden.

Konferenzen haben bereits stattgefunden, um über die Maßnahmen nach 2012 zu entscheiden. Im Rahmen der Konferenzen von Kopenhagen von 2009 und von Cancun von 2010 konnten Fortschritte verzeichnet werden, die für manchen Beobachter jedoch unzureichend waren.

Für Belgien bedeutete die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls die Reduzierung der C02-Emissionen von 1990 bis zum Jahr 2012 um 7,5%.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die belgische Regierung mehrere Maßnahmen ergriffen, um einen geringeren Energieverbrauch zu fördern. Mehrere Gemeinden nehmen an Energiesparprojekten oder Projekten zur sanften Mobilität teil. Es werden Windparks und Holzkraftwerke gebaut, um den Anteil der erneuerbaren Energien zu erhöhen. Die Minister führen Subsidienprogramme und Steuerbegünstigungen ein, die Privatleute zu Investitionen in die Isolation ihrer Häuser oder in neue Heizsysteme ermutigen sollen.

3. Kohlenstoffsenken schaffen oder schützen

Das Konzept der Kohlenstoffsenken wurde mit dem Kyoto-Protokoll bekannt. Verschiedene Wege werden erforscht, um die natürliche Speicherung des Kohlenstoffs zu verbessern und neue Techniken (natürliche und künstliche) für die Bindung und die Speicherung des Kohlenstoffs zu entwickeln.

Im weiten Sinn ist eine Kohlenstoffsenke oder C02-Senke ein natürliches oder künstliches Reservoir, das den Kohlenstoff aus der Atmosphäre bindet.

Die drei größten natürlichen Kohlenstoffsenken der Erde sind der Boden, die Ozeane und die Wälder. Seit mehreren Jahren wird ein sichtlicher Rückgang der Wirksamkeit dieser natürlichen Kohlenstoffsenken festgestellt.

  • Man geht davon aus, dass die Böden zu Ende des 20. Jahrhunderts etwa 2.000 Gigatonnen Kohlenstoff in der Form von organischen Stoffen lagerten. Das sind fast drei Mal die Kohlenstoffmenge, die in der Atmosphäre enthalten ist und vier Mal die Kohlenstoffmenge, die in der pflanzlichen Biomasse enthalten ist. Die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu binden, sinkt allerdings momentan rapide und fast überall, vor allem aber in den bewirtschafteten Agrarböden.
  • Die Bäume lagern große Mengen Kohlenstoff in ihrem Holz und im Ökosystem Wald. Durch die Photosynthese binden sie das C02 der Atmosphäre, sie lagern Kohlenstoff und stoßen Sauerstoff aus. Im Allgemeinen lagert ein Wald mehr Kohlenstoff in seiner Wachstumsphase als im ausgewachsenen Stadium und auch die harten und festen Holzarten lagern mehr davon als schnell wachsende Holzarten. Jedes Jahr verschwinden rund 13 Millionen Hektar Wald, weil sie abgeholzt werden. Daher nimmt auch die Kohlenstoffmenge ab, die gebunden wird.
  • Die Ozeane binden den Kohlenstoff im Plankton, in den Algen und in den Korallen. Die einen ernähren sich davon, andere lagern es in den Korallenriffen. Die Ozeane nehmen somit etwa 50% des in die Atmosphäre freigesetzten Kohlenstoffs auf. Wegen der Versäuerung nimmt die Fähigkeit der Ozeane, den Kohlenstoff zu lagern, jedoch ab.

In den vergangenen Jahren hat die Industrie Verfahren entwickelt, um den Kohlenstoff künstlich zu binden. Dabei wird der Kohlenstoff aus den Industrieverfahren (insbesondere den Ausstößen von Kraftwerken oder Erdgasreinigungswerken) gebunden, damit er nicht in die Atmosphäre gelangt. Dann wird er gepresst und in einer sog. Kohlenstoffsenke gelagert. Dabei handelt es sich meistens um einen Salzwasserspeicher, der sich im Unterboden (in mindestens 800m Tiefe) befindet und von der Oberfläche durch eine dicke, undurchlässige Schicht getrennt ist. Man spricht dann von der C02-Sequestrierung. Eine Wunderlösung ist das aber nicht. Die Pressung und die Speicherung des C02 verbraucht Energie und setzt erhebliche technische Mittel voraus.

Die beste Lösung für die Lagerung von C02 besteht immer noch darin, den Kohlenstoff dort zu lassen, wo er herkommt, d.h. tief unter der Erde im Unterboden in der Form von Gas, Erdöl, Kohle, Torf oder Humus. Dies ist aber nur möglich, wenn wir unseren Energiebedarf drosseln und somit die Förderung fossiler Energien vermeiden.

Gleichzeitig ist es natürlich notwendig, die natürlichen Kohlenstoffsenken zu erhalten, damit der Boden, die Ozeane und die Wälder ihre Kernrolle im Kohlenstoffkreislauf wieder vollumfassend spielen können.

4. Nachhaltigkeits-Tipps für den Alltag

Solange noch keine ehrgeizigen Zielsetzungen auf internationaler Ebene verabschiedet worden sind und keine ernsten Maßnahmen ergriffen wurden, kann der Bürger aber schon aktiv werden und auf eigene Weise der Klimaerwärmung den Kampf ansagen.

• Ich trage zur Reduzierung des Energieverbrauchs bei

  • Für kurze Strecken nehme ich das Rad oder gehe zu Fuß. Für lange Strecken entscheide ich mich für eine Mitfahrgelegenheit oder die öffentlichen Verkehrsmittel.
  • Der Luftverkehr liegt in der Kohlenstoffbilanz schwer in der Waage. Also vermeide ich Flugreisen. Belgien zählt viele schöne Gegenden, die ich mit dem Zug entdecken kann. Wenn ich doch mit dem Flugzeug reisen muss, gleiche ich meinen C02-Ausstoß aus, indem ich „grüne Zertifikate“ bei einer Fachorganisation kaufe, die ökologische Projekte in einem südlichen Staat unterstützt (z.B. Wiederbewaldung, Installation von Solaranlagen, …).
  • Ich wähle regionale und saisonale Früchte und Gemüsearten.
Mehr Infos?

> Siehe INFOBLATT (in Band 4):
Energie

• Ich trage zur Reduzierung der Treibhausgasausstöße bei

Mehr Infos?

> Siehe INFOBLATT (in Band 4):
Die Nahrungsmittel und das Klima

  • Weil die Tierzucht für die Fleischproduktion große Mengen Methan freisetzt, verringere ich meinen Fleischkonsum (zum Beispiel indem ich ein Mal die Woche vegetarisch esse oder die Fleischmenge auf meinem Teller auf höchstens 120 g pro Person begrenze). Was gut für das Klima ist, ist auch gut für meine Gesundheit und für die armen Länder, aus denen häufig die Nahrungsmittel für unseren Verbrauch herkommen.
  • Weil Aerosole und Kühlsysteme FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) enthalten, kaufe ich nach Möglichkeit keine Sprühdosen (indem ich zum Beispiel Handpumpen wähle), ich wähle einen Kühlschrank ohne FCKW und verzichte beim Kauf eines neuen Wagens auf die Klimaanlage.
  • Motorisierte Fahrzeuge produzieren auch Ozon, daher entscheide ich, lieber mit dem Rad zu fahren oder zu Fuß zu gehen, wodurch ich meinen Ausstoß doppelt verringere: einerseits produziere ich weniger Ozon und andererseits verbrauche ich weniger Treibstoff.
  • In der Landwirtschaft wird Kunstdünger verwendet, der für den Ausstoß von Distickstoffmonoxid verantwortlich ist, deswegen wähle ich Produkte aus dem biologischen Anbau, die besser für die Gesundheit, den Boden und das Klima sind.
  • Die Abholzung verstärkt die Klimaerwärmung, daher kaufe ich Produkte aus Holz, das aus nachhaltig bewirtschafteten Waldbeständen stammt und mit dem Label CFC oder PEFC gekennzeichnet ist. Oder ich verzichte auf Möbel aus Tropenhölzern und wähle Holz aus unseren Regionen.

• Darüber hinaus kann ich an Aktivitäten für den Klimaschutz teilnehmen oder mich einer Vereinigung anschließen, die solche Aktionen unterstützt.

Weitere Ansätze zur Vertiefung dieser Thematik werden auf der Webseite, die das Heft ergänzt, vorgeschlagen (und regelmäßig aktualisiert): www.nachhaltigkeits-handbuch.be