Nachhaltigkeits-Handbuch

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II.
DEN GESELLSCHAFTSZWECK
ÜBERDENKEN

1. Die Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (CSR)

Ein Unternehmen, das die nachhaltige Entwicklung in seine Aktivitäten integrieren möchte, muss von seinen rein wirtschaftlichen Überlegungen Abstand nehmen und sich auch mit den sozialen und umweltbezogenen Folgen befassen.

Seit den Jahren 1990 spricht man daher von der „Unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung“ (CSR – Corporate Social Responsibility) oder auch von „Unternehmerischer Sozialverantwortung“ oder „gesellschaftlicher Verantwortung für Unternehmen“. Im Rahmen der CSR geht man davon aus, dass die Folgen der Aktivitäten eines Unternehmens nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial und umweltbezogen sind. Sie tragen daher eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, in diesen drei Bereichen einen positiven Beitrag zu leisten.

Anders als in einem „klassischen“ Unternehmen, das in seinen Jahresabschlüssen nur den finanziellen Ergebnissen Rechnung trägt, muss ein verantwortungsbewusstes Unternehmen drei verschiedene Ergebnisarten berücksichtigen: seine wirtschaftliche Leistung, seine soziale Leistung und seine Umweltleistung.

Ein sehr ertragsreiches Unternehmen, das die Umwelt erheblich verunreinigt und dessen Zulieferer auf Kinderarbeit zurückgreifen, hätte somit ein gutes wirtschaftliches Ergebnis, aber ein sehr schlechtes soziales und umweltbezogenes Ergebnis. Die Zielsetzung eines verantwortungsvollen Unternehmens liegt selbstverständlich darin, in jedem dieser drei Leistungsbereiche gut abzuschneiden, ohne dabei den einen oder anderen Bereich zu vernachlässigen.

Heute verpflichten sich immer mehr Unternehmen der Unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung.

Die CSR in Belgien

In Belgien haben die föderalen und regionalen Behörden einen Referenzrahmen entworfen. Auf dieser Grundlage werden sie einen Aktionsplan für die CSR aufbauen, in dem sich die Aktionen der öffentlichen Hand einschreiben werden.

Mehrere Unternehmen der Wallonie haben sich aktiv mit diesen Strategien befasst und sich der „Business and Society“ angeschlossen, der belgischen Antenne der Unternehmensvereinigung, die sich für die CSR einsetzt und sie fördert.

Der Wallonische Unternehmerverband (UWE) bietet den Unternehmen Instrumente für die Evaluation ihrer Beteiligung an der nachhaltigen Entwicklung im Vergleich zu ihrem Aktivitätensektor sowie qualitative Instrumente an.

2. Integration der nachhaltigen Entwicklung in die Unternehmensstrategie

Die Unternehmen und insbesondere die KMU sind sich der steigenden Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung in den aktuellen Überlegungen zunehmend bewusst und entscheiden sich immer häufiger dazu, die nachhaltige Entwicklung als Grundlage ihrer Unternehmensstrategie einzusetzen.

Die nachhaltige Entwicklung bietet den Unternehmen zwei große Ansätze:

  • Der Produktansatz, demzufolge die nachhaltige Entwicklung die Hauptaktivität des Unternehmens ist. Dieser Ansatz veranlasst das Unternehmen dazu, die Produkte derart zu entwerfen oder zu verbessern, dass sie die ökologischen und sozialen Aspekte während ihres vollständigen Lebenszyklus bestmöglich integrieren. Die Verbraucher berücksichtigen bei ihren Käufen immer mehr die ökologischen und sozialen Aspekte. Durch den Produktansatz kann ein Unternehmen seine Produkte innovieren und verbessern, indem es den Markterwartungen entspricht oder diese vorhergesagt werden.
  • Der Organisationsansatz, demzufolge die nachhaltige Entwicklung in die Organisation des Unternehmens integriert wird. Dieser Ansatz veranlasst das Unternehmen dazu, im Rahmen seiner gewöhnlichen Aktivitäten seinen umweltbezogenen und sozialen Einfluss zu reduzieren.

Nähere Betrachtung dieser beiden Ansätze:

Der Produktansatz

Die nachhaltige Entwicklung hat sich heute zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig entwickelt. Die Unternehmen, die sie als Gelegenheit und nicht als eine Verpflichtung wahrnehmen, zeugen davon. Durch die nachhaltige Entwicklung können neue Aktivitäten und neue Produkte entwickelt, neue Kunden angeworben und die Handlungsbereiche erweitert werden.

Im Jahr 2009 hat man festgestellt, dass der Sektor der nachhaltigen Entwicklung fast der einzige Sektor war, der trotz der wirtschaftlichen Krise, die viele andere Sektoren stark in Mitleidenschaft gezogen hatte, weiterhin gestiegen war. Dabei braucht man nur die zahlreichen Unternehmen zu betrachten, die in den vergangenen Jahren im Sektor der erneuerbaren Energien und der ökologischen Bauweise tätig geworden sind, um sich davon zu überzeugen. Dank der nachhaltigen Entwicklung können in fast allen Bereichen Arbeitsplätze geschaffen werden. Viel Kreativität und der Wille, ein Vorreiter sein zu wollen, genügen in den meisten Fällen.

Viele Unternehmen haben bereits das Potential der nachhaltigen Entwicklung als Gelegenheit erkannt und die guten Beispiele werden täglich immer zahlreicher. Hier eine kleine Auswahl möglicher Aktivitäten:

  • Nachhaltige Dienstleistungen anbieten: Organisation nachhaltiger Veranstaltungen (Musikfestivals, Handelsmessen, Messen usw.), Vermietung oder Bereitstellung von nachhaltigem Material, Installation von sparsamen Heizsystemen, Installation von Holzöfen oder Solaranlagen, Ökologischer-Häuserbau, Reparatur und Wartung von Maschinen, um ihre Lebensdauer zu verlängern, Verkauf von Erzeugnissen aus dem ethischen oder fairen Handel, nachhaltiger Tourismus…
  • Nachhaltige Produkte entwickeln oder herstellen: biologisch abbaubare Verpackungen, umweltfreundliche Reinigungsprodukte, biologische Kleidungsstücke, Herstellung von Nahrungsmitteln aus dem biologischen Anbau oder dem fairen Handel, Schönheitspflegen aus natürlichen Produkten oder Produkten aus dem fairen Handel, Hybridfahrzeuge oder Niedrigenergiefahrzeuge, nachhaltiges Baumaterial, ressourcenarme Maschinen oder Werkzeuge…

Die Artenvielfalt: eine günstige Gelegenheit für die Unternehmen.
Dank der Artenvielfalt haben sich mehrere neue wirtschaftliche Sektoren entwickelt. So zum Beispiel insbesondere der Sektor des Ökologischen-Häuserbaus, in dem natürliches und umweltfreundliches Baumaterial verwendet wird, der Sektor der Nanotechnologien, der sich aus der Natur inspiriert, der Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor, der die traditionellen Frucht- und Obstsorten neu entdeckt und die derzeit bei den Verbrauchern sehr beliebt sind, oder auch der Kosmetiksektor, in dem die synthetischen Stoffe durch natürliche Pflanzenextrakte ersetzt werden.

Der Organisationsansatz:

Selbst wenn seine Hauptaktivität nicht in direktem Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung steht, kann ein Unternehmen beschließen, sie in seine Abläufe zu integrieren. So kann es zum Beispiel:

  • Die NE in die Unternehmensstrategie integrieren. Das Unternehmen verpflichtet sich zu einem globalen Ansatz, setzt Akzente auf einen der Bereiche der nachhaltigen Entwicklung (der soziale oder umweltbezogene Bereich), auf einen Aspekt (die Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten, die Kaufpolitik…) oder versucht, alle drei Bereiche zu integrieren.
  • Die NE in die Unternehmensinfrastruktur integrieren. Ein Unternehmen kann sich dafür entscheiden, seine Umwelt- und Sozialleistungen zu verbessern. Dies kann es mit der Sanierung oder Verbesserung der Gebäude, der Wahl von ressourcenarmen Herstellungsverfahren, einem Abfalltrenn- und Recycel-System, dem Anlegen von Grünflächen, der Einrichtung einer Kantine, die eine ausgewogene, gesunde, nachhaltige oder aus dem biologischen Anbau stammende Ernährung anbietet, usw. bewerkstelligen.
  • Die NE in die Verhaltensweisen der Angestellten integrieren. Das Unternehmen kann entscheiden, bei seinen Angestellten neue Verhaltensweisen zu fördern, damit jeder selbst seine Umweltleistung steigern kann. Dieser Ansatz geschieht in zwei Schritten: Zuerst muss das Personal für nachhaltige Verhaltensweisen sensibilisiert werden (Öko-Verbrauch, Umweltbürgerschaft) und gleichzeitig müssen ihm die hierzu notwendigen Mittel in die Hände gelegt werden. In diesem Sinne ist es recht nutzlos, das Personal für das Abfall-Recycling zu sensibilisieren, wenn ihm nicht gleichzeitig auch ein gutes und wirksames Abfalltrennsystem zur Verfügung gestellt wird. Ähnlich ergeht es einem Unternehmen, das für seine Angestellten einen Mobilitätsplan erstellt, und hierzu gleichzeitig flexible Arbeitszeiten einführen muss, damit die Angestellten die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können.

3. Die Entmaterialisierung der Wirtschaft

Unser aktuelles Wirtschaftsmodell folgt einer Logik des Besitzes, derzufolge die Kunden das Ziel verfolgen, Güter zu besitzen, und wo der Zweck der Unternehmen darin liegt, diese Güter herzustellen und an die Kunden zu verkaufen. Diese Logik ist mit einem extremen Ressourcenverbrauch verbunden und alles andere als nachhaltig.

Die Entmaterialisierung der Wirtschaft besteht in ‘der absoluten oder relativen Einschränkung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen pro Funktions- oder Serviceeinheit’. Sie ermöglicht eine effizientere Verwendung der natürlichen Ressourcen in unserer Gesellschaft.

In einer entmaterialisierten Gesellschaft werden überall da, wo es möglich ist, Produkte durch Dienstleistungen ersetzt. Sie stellt das Modell in Frage, das auf dem Güterbesitz beruht, und erinnert daran, dass die Hauptzielsetzung eines Guts darin liegt, ein Bedürfnis zu erfüllen. In einer wahrhaft nachhaltigen Gesellschaft liegt die Zweckbestimmung eines Unternehmens also nicht mehr im Verkauf von Produkten, sondern in der Befriedigung von Bedürfnissen.

Das bedeutet, dass ein „entmaterialisiertes“ Unternehmen eher Dienstleistungen und keine Verbrauchsgüter mehr anbietet. Dazu muss das Unternehmen seine Aktivitäten neu überdenken und seinen Beruf neu definieren, um sein Angebot anzupassen oder zu erweitern.

Die Entmaterialisierung der Wirtschaft setzt einen tiefgründigen Wandel der Unternehmensphilosophie voraus. Wir werden unsere Herstellungs-, Verkaufs- und Verbrauchsgewohnheiten neu überdenken müssen. Wir müssen den Weg für eine Gebrauchswirtschaft ebnen (Vermietung, Reparatur, Wiederverwendung, …). Durch die Entwicklung von Dienstleistungen (Reparatur, zweite Hand, Werkzeugverleih, Mediathek, …) können der Verbrauch von Ressourcen sowie die Auswirkungen auf die Umwelt verringert werden und kann gleichzeitig die aktuelle Lebensqualität erhalten (für die entwickelten Länder) wenn nicht sogar verbessert werden (für die Entwicklungsländer), ohne die Haushaltsbudgets zu belasten.

Mehr Infos?

> Siehe Infoblatt (in Band 4)
„Die Faktor-10-Strategie und der ökologische Rucksack“

Der Ansatz der entmaterialisierten Wirtschaft stützt sich auf Konzepte wie zum Beispiel die Strategie des „Faktors 4“ und des „Faktors 10“, die vor rund 15 Jahren eingeführt wurden. In diesen Ansätzen wird die Ressourceneffizienz wie eine physische oder technische Effizienz der Ressourcen betrachtet, die auf der Grundlage der für die Herstellung einer Einheit (Material oder Dienstleistung) erforderlichen Materialmengen evaluiert werden.

Die positive Wirtschaft

In ihrem Buch „Réparer la planète“ gehen Maximilien Rouer und Anne Gouyon noch einen Schritt weiter und schlagen den Unternehmen vor, „positiv“ zu werden.
Für die Unternehmen, die diesen Weg einschlagen, bedeutet das konkret, dass sie, anstatt die natürlichen Ressourcen durch ihre Aktivität auszuschöpfen oder zu schädigen, ihre Umweltbilanz aufbessern und somit den Planeten „reparieren“.
Dies geschieht in zwei Schritten: „Das Unternehmen beginnt damit, „weniger zu schaden“, indem es seine Treibhausgasausstöße, seine Energieausgaben, seinen Ressourcenbedarf und seine Auswirkungen auf die Gesundheit und Artenvielfalt reduziert. So besteht die Möglichkeit, dass es seine Umweltbilanz von negativ auf neutral verbessern kann. Anschließend kann es noch einen Schritt weiter gehen und eine positive Bilanz anstreben, indem Kohlenstoff gelagert wird, erneuerbare Energie produziert wird, die Luft, der Boden und das Wasser gereinigt und die Artenvielfalt gefördert werden.“
Die Autoren haben ein Instrument entwickelt, mit dem die negativen, neutralen und positiven Auswirkungen eines jeden Unternehmens auf das Öko-Kapital gemessen werden können. Dieses Instrument beruht auf den fünf Bilanzen der positiven Wirtschaft.

Mehr Infos?

> „Réparer la planète, la révolution de l’économie positive“, Maximilien Rouer und Anne Gouyon, BeCitizen, Editions JC Lattès, Paris, 2007, S. 403.

„Nicht alle Unternehmen und Aktivitäten eignen sich dazu, positiv zu werden. Zuerst sollten alle versuchen, weniger negativ zu sein. Diejenigen, die nicht neutral oder positiv werden können, können ihre negativen Folgen durch die Entrichtung von Abgaben ausgleichen, um andere positive Aktivitäten zu finanzieren, um einen Ausgleich für ihre negativen Aktivitäten zu bieten. (…) So setzt sich die positive Wirtschaft aus verschiedenen neutralen, negativen und positiven Aktivitäten, die sich gegenseitig ausgleichen, zusammen. Die endgültige Bilanz wird somit positiv, indem man sich von der Funktionsweise der ältesten der positiven Wirtschaften, der Natur, inspirieren lässt.“