Nachhaltigkeits-Handbuch

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01 Die Welt von gestern

Jedes Lebewesen muss gewisse Grundbedürfnisse erfüllen, um sein Überleben und das seiner Art zu sichern. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören u.a. die Atmung, die Ernährung und die Fortpflanzung. In seiner Umwelt findet jedes Lebewesen das, was es zur Erfüllung dieser Bedürfnisse benötigt: Sauerstoff, Nahrung, Wasser, Lebensraum, Partner seiner Art usw.

Der Mensch bildet dabei keine Ausnahme. Er hat die gleichen Grundbedürfnisse wie die anderen Lebewesen und seine Aktivitäten zielen darauf ab, diese zu befriedigen. Dazu bedient er sich seiner Umwelt, genau wie die anderen Organismen auch. Allerdings hat sich der Mensch auf der Erde unter allen Lebewesen auf ganz einzigartige Weise entwickelt. Und im Laufe dieser Entwicklung haben parallel mit der steigenden Anzahl Individuen auch die Bedürfnisse des Menschen zugenommen und mit ihnen der Einfluss des Menschen auf seine Umwelt.

Ursprünglich bevölkerten die Menschen die Erde in kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern. Es waren ihrer nicht sehr viele und sie entnahmen ihrer Umwelt nur das, was sie zum Leben brauchten, d.h. was sie benötigten um sich zu ernähren, sich zu kleiden und zu wohnen. Solange es noch nicht so viele Menschen gab und sie für ihre Aktivitäten erneuerbare und biologisch schnell abbaubare Materialien (wie Holz, Knochen, Pflanzen, Tiere, …) nutzten, war ihre Auswirkung auf die Umwelt eher gering und nicht größer als die jeder anderen Tierart auch.

Vor ungefähr 12.000 Jahren, in der Jungsteinzeit, wurde der Mensch dann sesshaft. Er ließ sich nieder und bewirtschaftete die Erde, um Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Im Vergleich zur Jagd ernährt die Landwirtschaft zwar mehr Menschen, allerdings benötigt sie auch mehr Arbeitskräfte. Somit wuchs die Erdbevölkerung. Die Anzahl Menschen, die zu jener Zeit auf der Erde lebten, wird auf circa 10 Millionen Individuen geschätzt.
Durch höhere Erträge in der Landwirtschaft wurde eine Diversifizierung der Aufgaben möglich. Einige Menschen begannen mit der handwerklichen Herstellung von Waren (Töpfer, Schmied, Weber), andere entwickelten kulturelle Aktivitäten (Magier, Wahrsager, Priester, Künstler), betrieben Handel (Händler) oder kämpften (Soldaten). Die ersten Siedlungen entstanden vor rund 10.000 Jahren im Mittleren Osten. Die Schrift entwickelte sich, um die überschüssigen landwirtschaftlichen Erträge verwalten zu können.

Vor rund 7.000 Jahren begann der Mensch mit der Verarbeitung von Metall. Er lernte zunächst, Kupfer zu bearbeiten, dann Bronze und schließlich Eisen. Das bedeutete für ihn einen großen technischen Fortschritt, denn nun konnte er bessere Werkzeuge und Waffen bauen. Dank dieser neuen Technik konnte der Mensch größere Flächen bearbeiten, er rodete Wälder, legte Moore trocken, baute Schutzdämme an Meeren und Flüssen und rüstete die Soldaten mit Schwertern aus.
Es kehrte eine relative Sicherheit ein, die landwirtschaftlichen Erträge stiegen, so dass immer mehr Menschen ernährt werden konnten. Allmählich verbesserten sich die Lebensbedingungen. Der Mensch nutzte immer mehr natürliche Ressourcen und griff stärker in die Landschaft ein. Zur Metallherstellung beispielsweise bedurfte es riesiger Mengen Holz zum Feuermachen, was vor allen Dingen in Europa zur Zerstörung großer Waldgebiete führte.

Im 15. Jahrhundert begann dann das Zeitalter der Entdeckungen. Europa war zu dieser Zeit in mächtige Staaten aufgeteilt, die den Rest der Welt erobern und für sich beanspruchen wollten. Die europäischen Seefahrer entdeckten den Seeweg nach Indien und Amerika und eroberten neue Gebiete (vor allem in Afrika). Daraus entstand ein reger Handel mit Tieren, Pflanzen und Rohstoffen, der das Angebot an Nahrungsmitteln und Handelswaren in Europa wesentlich erweiterte. So gelangen u.a. die Kartoffel, Mais, Erdnüsse, Tomaten, Kakao, Baumwolle usw. nach Europa.
Die Europäer bemächtigten sich der Naturschätze und der Arbeitskraft dieser neuen Gebiete (häufig, indem sie die einheimische Bevölkerung dezimierten oder versklavten und ihre Kultur zerstörten). Um die immer größer werdende Nachfrage der europäischen Märkte und Fabriken zu beantworten, wurden große Plantagen angelegt und die verschiedenen Regionen spezialisierten sich jeweils auf den Anbau bestimmter Pflanzen: Zucker und Kakao in Brasilien, Baumwolle und Tabak in Nordamerika, Tee und Kaffee in Indien, Baumwolle in Afrika usw. Dieses System funktionierte und florierte durch die Kolonisierung, die Sklavenhaltung und den massiven Abbau natürlicher Ressourcen.
Diese Ausbeutung sowie die Monokulturen, die ausschließlich auf die Bedürfnisse der Europäer zugeschnitten waren (anstatt sich nach den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung zu richten), werden heute als eine der Ursachen für die große Armut gewertet, die in diesen Teilen der Welt herrscht (insbesondere in Lateinamerika und Afrika). Es wurde ein weltweites Wirtschaftssystem geschaffen, das auf der Ausbeutung der Einen beruhte, um die Anderen zu bereichern.

Dank der aus dem Süden importierten Reichtümer konnte die europäische Wirtschaft in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit wachsen und diese Reichtümer waren es auch, die die Grundlage bildeten für die Industrielle Revolution im 18. Jh.
Durch die Industrielle Revolution verbessern sich die Lebensbedingungen der europäischen Bevölkerung: Der Lebensstandard steigt, die Ernährung und die medizinische Versorgung verbessern sich und die Menschen können Epidemien bekämpfen. Die meisten Menschen in Westeuropa führen ein deutlich besseres und auch längeres Leben. Dementsprechend wächst die Weltbevölkerung immer schneller. Im Jahr 1804 erreicht die Anzahl Menschen auf der Erde die Milliardenmarke.

Die Industrielle Revolution steht für tiefgreifende Veränderungen, die die Lebensumstände, die Gesellschaftsstruktur und die Umwelt nachhaltig verändert haben:

  • Ein Großteil der menschlichen und tierischen Arbeitskraft wird durch Maschinen ersetzt, wodurch der Arbeitsrhythmus und die Nutzung der Ressourcen um ein Vielfaches zunehmen. Es werden mehr Güter in weniger Zeit und mit weniger Aufwand hergestellt. Es wird nicht mehr handwerklich produziert, denn die neuen Maschinen ermöglichen eine Massenproduktion (industrielle Güter). Die Waren werden billiger und mehr Menschen zugänglich und die Konsumgesellschaft entsteht.
  • Um die Maschinen, die Eisenbahn und später auch die Autos mit Energie zu versorgen, greift man massiv auf fossile Energien zurück (zunächst Kohle und Gas, später Erdöl). Die groß angelegte Förderung dieser Rohstoffe zerstört die Landschaft und verschmutzt das Wasser, ihre Verbrennung vergiftet die Luft.
  • Die Landbevölkerung zieht in Scharen in die Städte, wo die Fabriken Arbeitskräfte benötigen. Das soziale Leben wird neu organisiert: Die Menschen verlassen die ländlichen Gebiete und die Stadtbevölkerung nimmt rasant zu. Durch diese schnelle Ausdehnung der Städte sowie durch die Aktivitäten der Fabriken wird nicht nur die Umwelt verschmutzt, häufig herrschen auch unhaltbare hygienische Zustände: Verschmutzung des Wassers, der Luft, des Bodens, Produktion von Abfällen, Krankheiten und soziale Spannungen durch das enge Zusammenleben…
  • Das bedeutende entstehende Industriekapital ermöglicht den Aufbau großer internationaler Unternehmen, die nach und nach die Weltwirtschaft um die Bedürfnisse der westlichen Märkte organisieren und die Entwicklung des kapitalistischen Systems ermöglichen, wie wir es heute kennen.

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist durch zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise geprägt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) herrschen wieder Optimismus und Lebensfreude und die Jahre des Wiederaufbaus stehen Synonym für Konsum.
Während der beiden Weltkriege gab es zahlreiche technische Erfindungen und die Gesellschaft der Nachkriegszeit räumt Wissenschaft und Technik einen zentralen Platz ein. Fortschritt, Wirtschaftswachstum und Wettbewerb sind die neuen Schlagwörter.

Die Forschung, die Massenproduktion sowie die breite Zugänglichkeit der Gesellschaft zu Konsumgütern kurbeln die Wirtschaft an. Die Konsumgesellschaft und der Kapitalismus werden zum dominierenden Wirtschaftssystem und erobern die ganze Welt in allen Bereichen (Kultur, Medizin, Kommunikation, Freizeit ). Auto, Kühlschrank, Waschmaschine und Fernseher werden für den Menschen zum Maß aller Dinge.

Unter dem Druck sozialer Bewegungen bezieht der Kapitalismus auch die soziale Dimension mit ein. So entsteht in Europa das System der Sozialsicherheit. Zur gleichen Zeit werden die ersten ernsthaften Umweltprobleme bekannt.

Mit dem technologischen Fortschritt entstehen auch neue Materialien, die es so in der Natur vorher nicht gab. Chemieindustrie und Petrochemie entwickeln neue Chemikalien, Kunststoffprodukte, synthetische Fasern usw. Diese Stoffe können nicht mehr auf natürlichem Wege von der Natur abgebaut werden und bei ihrer Herstellung entstehen giftige Stoffe, die die Umwelt schädigen und auch die menschliche Gesundheit gefährden.

Gleichzeitig entsteht ein immer größeres Ungleichgewicht zwischen den Ländern, die sich immer schneller entwickeln und jenen, die außen vor bleiben. Die Dekolonisierung der südlichen Länder verbessert nicht deren Zugang zu Wissenschaft und Technik, zu Kapital und Ressourcen. Im Gegenteil wird der Graben zwischen reichen Staaten und Entwicklungsländern immer größer. Der Motor der Wirtschaft ist die Anhäufung von Reichtum und Waren in einem immer schärfer werdenden Wettbewerbsgeist. Dabei bleibt das Wohl des Menschen häufig auf der Strecke.

Armut, Hunger und Entwicklungsrückstand werden für die meisten Einwohner der Entwicklungsländer zur Norm. Soziale Ausgrenzung, Gesellschaftskrankheiten, Erschöpfungszustände und Individualismus sind die negativen Konsequenzen in den Industrieländern.