Nachhaltigkeits-Handbuch

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3.2 Aktiv werden

I.
LERNEN,
DIE RICHTIGEN FRAGEN ZU STELLEN

Die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung in unseren Alltag zu integrieren bedeutet, dass wir unsere Lebensweise überdenken müssen – unsere Gewohnheiten, unser Handeln, unsere Projekte. Es geht nicht darum, einen Kompromiss zwischen den drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung (Wirtschaft, Ökologie und Soziales) zu finden, indem mal das Eine, mal das Andere berücksichtigt wird, sondern es geht darum, die drei Säulen in einer neuen Herangehensweise zu vereinen, die folgendermaßen zusammengefasst werden könnte: Das Ziel ist Qualität für alle anstatt Quantität für Wenige.

Um dieses Ziel zu erreichen ist unsere persönliche Verantwortung gefragt. Nachhaltige Entwicklung ist eine Einstellung, ein ständiger kritischer Blick auf unser tägliches Handeln und unsere Überzeugungen. Die nachhaltige Entwicklung möchte drei Ziele erreichen:

  • Wohlstand für alle Bewohner der Erde erhalten oder erreichen. Dazu gehört eine neue Definition von Wohlstand: Er wird als „Lebensqualität“ definiert und nicht als „Anhäufung von Gütern und Reichtümern“.
  • Unsere Fähigkeit weiterentwickeln, solidarischer zu leben sowohl mit unseren Nachbarn als auch mit den anderen Bewohnern der Erde. Wir sind nicht die einzigen „Mieter” der Erde und die anderen Lebewesen haben das gleiche Recht wie wir, auf diesem Planeten zu leben und seine Reichtümer zu nutzen.
  • Unsere Fähigkeit weiterentwickeln in Harmonie mit der Natur und unserer Umwelt zu leben, indem wir uns daran erinnern, dass jeder von uns nur eine begrenzte Zeit auf der Erde lebt und niemand das Recht hat, diese einzigartige Lebenswelt zu zerstören.

Im Grunde genommen geht es darum, neue Sozial-, Umwelt- und Bürgerkompetenzen zu entwickeln.

Das bedeutet, dass jedes Mal, wenn wir eine Handlung vornehmen (arbeiten, produzieren, konsumieren, uns fortbewegen, uns ernähren usw.), wir uns einige grundlegende Fragen stellen müssen, um herauszufinden, welche Handlungen am besten sind im Hinblick auf den Planeten und auf die heutige und zukünftige Menschheit.

Hier einige Beispielfragen:

II.
JEDER KANN
SEINEN BEITRAG
LEISTEN

Die nachhaltige Entwicklung möchte die Grundbedürfnisse jedes Menschen so gut wie möglich erfüllen und dabei die Rechte der zukünftigen Generationen wahren. Das ist ein schönes Ziel, das in der Wirklichkeit jedoch nicht so einfach mit den Interessen und Erwartungen von 7 Milliarden Menschen zu vereinbaren ist (ohne erst von den Millionen anderen Arten zu sprechen, die unseren Planeten bevölkern).

Die nachhaltige Entwicklung ist also vielmehr ein Ideal, das wir zu erreichen versuchen müssen. Um sich diesem Ideal möglichst anzunähern, muss jeder das Seine dazutun und versuchen, neue Lösungen zu finden für eine gerechtere Zukunft, für einen saubereren und schöneren Planeten, für eine Wirtschaft, die die Grundbedürfnisse aller erfüllt und nicht nur die Konsumbegierden einer Minderheit. Das ist eine gewaltige Herausforderung und um diese zu stemmen, müssen wir alle gemeinsam handeln… und zwar jetzt!

Im Folgenden einige mögliche Handlungsbeispiele für jeden von uns:

puceDie Politik kann:

  • auf Ebene der Gesetze und Bestimmungen, der technischen Normen und Qualitätsstandards für Produkte und Produktionsverfahren handeln und die Nichteinhaltung mit Sanktionen ahnden,
  • Unternehmen und Privatpersonen dazu anhalten oder dazu zwingen, nachhaltigere Verhaltensweisen anzunehmen, beispielsweise durch wirtschaftliche Instrumente, die nicht nachhaltige Produkte oder Verhaltensweisen bestrafen (z.B. Ökosteuer) oder nachhaltige belohnen (z.B. finanzielle Anreize).

puceDie Behörden können:

  • die Bürger und die Unternehmen informieren, indem sie Berichte über den Zustand der Umwelt veröffentlichen,
  • die finanziellen Mittel für wissenschaftliche Forschung, technische Neuerungen und Umweltbildung erhöhen,
  • die Rolle der Vereine und Netzwerke stärken, die für ein besseres Verständnis des Funktionieren des Welthandels arbeiten,
  • die Normen und Bestimmungen verschärfen, die der Umwelt, dem Ressourcensparen und den Rechten der Produzenten (bezüglich Arbeit, Sozialsicherheit usw.) eine größere Bedeutung einräumen,
  • die Bürger systematisch informieren,
  • die Regeln für eine transparente Kennzeichnung der Produkte verschärfen (soziale und ökologische Produktionsbedingungen, Vorhandensein von chemischen Rückständen, Giftigkeit, Auswirkungen auf Gesundheit oder Klima usw.),
  • finanzielle Förderungen auf umweltschonende landwirtschaftliche und industrielle Produktionsweisen ausrichten,
  • klare und anspruchsvolle Zertifizierungen vorsehen, die regelmäßig kontrolliert werden, damit die Bürger aufgeklärte und verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen können,
  • die finanziellen Mittel für die wissenschaftliche Forschung erhöhen zugunsten von Programmen, die dem Menschen und der Zukunft dienen,
  • die Vermarktung schädlicher, unnützer oder Ressourcen verschwendender Güter ganz einfach verbieten,
  • finanzielle Mittel bereitstellen um entstandene Schäden zu beheben.

puceDie Industrie und die Unternehmen können:

  • die Herstellungsprozesse dahingehend verbessern, dass weniger Ressourcen verbraucht werden,
  • weniger Giftstoffe in die Umwelt ableiten und weniger Müll produzieren,
  • ihren Angestellten gute Arbeitsbedingungen bieten,
  • die Gesetzgebung zum Schutz der Gesundheit von Arbeitern respektieren (oder sogar noch mehr für den Gesundheitsschutz tun),
  • ein Umweltmanagementsystem einrichten,
  • die Lebensdauer der Produkte verbessern, ihre Reparierbarkeit vorsehen,
  • Innovation im Bereich Ecodesign fördern,
  • die Partizipation der Mitarbeiter (Arbeiter, Angestellte und Beamte) am Management und an der Suche nach den besten Lösungen für das Personal und im technischen Bereich fördern.

puceDie Wissenschaftler können:

  • Probleme identifizieren und die Auswirkungen der möglichen Lösungen analysieren,
  • zur Entwicklung innovativer Lösungen zu bestehenden Problemen beitragen,
  • zur Entwicklung neuer Produktionsverfahren beitragen,
  • zur Entwicklung erneuerbarer Energiequellen beitragen,
  • ihre Arbeit und ihre Entdeckungen so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen.

puceDie Vereine können:

  • die Öffentlichkeit sensibilisieren und sie zu nachhaltigen Gewohnheiten ermuntern,
  • zur Sensibilisierung und Bildung der Kinder und Jugendlichen in den Schulen und anderen Teilen der Gesellschaft beitragen,
  • Druck ausüben auf Unternehmen oder politische Entscheidungsträger, damit sie Reglementierungen einhalten, verschärfen oder schaffen,
  • innovative Alternativprojekte ins Leben rufen (alternative Finanzierung, Einkaufsgemeinschaften, Austausch von Dienstleistungen, gemeinschaftliche Wohnprojekte usw.).

puceDie Schulen können:

Die Schulen sind der erste Ort, an dem die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung angewendet werden sollten. Dazu gibt es Programme, die den Schulen helfen, ihre „Umweltanalyse“ zu erstellen oder Verbesserungsprojekte in allen Bereichen zu entwickeln.

  • Ressourceneinsparungen fördern (Energie, Wasser, Rohstoffe),
  • Ökokonsum und nachhaltigen Konsum fördern,
  • alle Formen der Verschwendung weitestmöglich verringern,
  • Projekte zum Kampf gegen die Armut bei uns oder anderswo in der Welt auf die Beine stellen,
  • alle möglichen Formen der Partizipation der Schüler und Lehrer zur Verbesserung der Schule entwickeln,
  • das Essensangebot und die Sicherheitsregeln überarbeiten und die Prävention und die Lebensqualität im Klassenzimmer verbessern,
  • sich in der gewaltfreien Lösung von Konflikten weiterbilden sowie in der Annäherung der verschiedenen Kulturen, die in der Schule aufeinandertreffen, um den Reichtum dieser Vielfalt bestmöglich zu nutzen.

Die Schulen sind der erste Ort zum Verständnis und zum Hinterfragen des Funktionierens der Welt und der Gesellschaftssysteme. Alle Themen, die philosophische, ethische, wissenschaftliche, technische oder wirtschaftliche Bereiche berühren, können erforscht und studiert werden, und die Schüler können sich entsprechende Kompetenzen aneignen.

  • Themen in den Unterricht aufnehmen, die die Zukunft der Menschheit und der Erde betreffen.
  • Etwas komplizierter, aber dafür sehr spannend: Projekte entwickeln, die mehrere Fächer, Fachkenntnisse aus verschiedenen Gebieten oder mehrere Bildungsbereiche umfassen.
  • Sich Herausforderungen zugunsten der lokalen Gemeinschaft (Viertel, Stadt) stellen.
  • Instrumente zur Sensibilisierung der Eltern, der Öffentlichkeit usw. schaffen.
  • Gemeinnützige Arbeiten verrichten, Ausstellungen oder Vorträge zu den großen Herausforderungen unserer Zeit organisieren…

puceJeder Einzelne kann:

  • ein verantwortungsbewusster Bürger sein (siehe folgendes Kapitel),
  • ein verantwortungsbewusster Verbraucher sein (siehe folgendes Kapitel).

Die reichen Länder schützen sich vor den Gefahren der Umweltzerstörung meist durch das Erlassen von Gesetzen und Regeln oder durch die Förderung von Alternativen.
So hat die EU beispielsweise Richtlinien erlassen, die industriellen Aktivitäten gewisse Grenzen setzen, damit die Hersteller die Auswirkungen auf die Gesundheit ernst nehmen. Es bleibt jedoch noch viel zu tun und häufig gehen die Diskussionen zwischen Wissenschaftlern, Forschern und Interessengruppen (Lobbys) zugunsten Letzterer aus. Wir befinden uns inmitten eines wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes zwischen Europa, den Vereinigten Staaten, Japan und den Schwellenländern.
Man zögert, man stellt in Frage, man gibt neue Studien in Auftrag (die manchmal von der Industrie selbst bezahlt werden) und man lässt sich Zeit damit, die Dinge ernsthaft anzugehen.
Die Industrie führt die höheren Kosten an, die die Umweltschutzmaßnahmen bedeuten, und damit die Gefahr, Marktanteile zu verlieren zugunsten von Regionen, in denen Umwelt und Gesundheit weniger gut durch Regeln geschützt werden. Kurz gesagt, wirtschaftliche Interessen vergiften häufig zahlreiche Debatten.
Auch wenn die Forschung bereits große Fortschritte gemacht hat, bleiben immer noch viele Fragen zur Giftigkeit, zur Gefährlichkeit und zu den Grenzwerten akzeptabler oder gefährlicher Mengen unbeantwortet.
Manchmal gibt es auch keine ausreichende Finanzierung für die Forschung und zahlreiche Forscher, denen es an neutraler (öffentlicher) Finanzierung mangelt, sehen sich versucht, Mittel bei den Unternehmen anzufragen, deren Produkte sie analysieren.
Und nicht zuletzt wird die wissenschaftliche Forschung und ihre Ergebnisse of genug von der Werbelobby und durch Marketing verschleiert.

Die Aufgabe ist also alles andere als leicht und die Aufklärung der Bürger über all diese Dinge ist eine wichtige Aufgabe, die die Schulen, die Vereine, die Medien und die Forscher erfüllen müssen.